Bachér auf der Dmexco: „Networking by walking around“

Mit Spannung haben wir sie erwartet, die erste live-haftige Dmexco in Köln seit 2019, nachdem die Online-Marketing Ausstellung und Konferenz die letzten zwei Jahre coronabedingt nur virtuell stattgefunden hatte. Nach mäßigen Erfahrungen auf der digitalen Event-Plattform ohne Präsenz in Köln waren im Vorfeld Statements wie „brauchen wir die DMEXCO überhaupt noch“, „das Online Marketing Rockstars (OMR) Festival hat der DMEXCO doch längst den Rang abgelaufen“ oder „da gehen doch nur noch die alten weißen Männer hin“ in unserer Bubble im häufiger zu hören. Die spannende Frage war, ob die Dmexco noch die Anziehungskraft der Vor-Corona-Zeit besitzt?

Zudem hat das OMR Festival in Hamburg die Messlatte für die Dmexco hochgelegt: 70.000 Teilnehmer, mehr als 500 Aussteller und mehr als 700 Speaker, Hollywood Feeling durch Stars wie Ashton Kutcher, Quentin Tarrantino und deutsche Business Größen wie Tina Müller (CEO Douglas) und Oliver Blume (CEO Porsche). Dazu noch die gewohnt starken Live-Konzerte mit hohem Entertainment-Faktor.

Und die Erwartungshaltung in Köln in diesem Jahr? Keine Präsenz der großen Digitalvermarkter wie Amazon, Meta, Spotify, Ad Alliance, SevenOne und Ströer, kein Hollywood-Glamour und keine Top-Speakerin wie Sheryl Sandberg, die 2017 auf der Hauptbühne der Dmexco auftrat. Und trotzdem hat „Chief Advisor“ Dominik Matyka und sein Team das Motto dieses Jahres „we progress together“ erfüllt. Ja, aus meiner Sicht war es für unsere Branche eine erfolgreiche Messe und eine starke Konferenz. Das zeigen auch die so gerne diskutierten Hard Facts: 40.000 Zuschauer, 560 Aussteller und mehr als 770 Speaker.

Nach zwei Jahren mit wenig Face to Face Kontakten ist in unserer Kommunikationsbranche die Sehnsucht nach Gesprächen und Informationen groß. Das gilt für die großen Themen der Konferenz wie Cookieless Advertising, Retail Media, Sustainable Media, NFTs und KI-Lösungen. Nicht jeder, der die letzten zwei Jahren häufiger in der Jogginghose vor dem heimischen Bildschirm verbrachte, hat sich die Zeit genommen, um sich mit den neuesten Marketing-Entwicklungen zu beschäftigen. Und so war es wie in den Vor-Corona-Jahren, die meisten Konferenzen waren sehr gut besucht bzw. auch überlaufen. Es gibt einen starken Bedarf, sich wieder direkt über die aktuellen Themen zu informieren. Gut war die Entscheidung, die Konferenzräume direkt in die Hallen zu integrieren. Dass erspart die langen Wege, die früher notwendig waren, dafür war die Akustik durch den hohen Geräuschpegel in den Hallen auf einigen Bühnen mäßig.

Auch die Ausstellung funktioniert, ich habe mich trotz geringerer Ausstellerzahl auch dieses Jahr sehr gerne vom Charme der Messe einfangen lassen. Für mich ist das Geheimnis das „networking by walking around.“ Natürlich haben wir Messeteilnehmer an den beiden Messetagen jeweils unsere 10-15 Termine. Das ist die Pflicht, da wird Media, Marketing, Produkt und Technik verkauft und eingekauft. Die wirklich spannenden Gespräche, die den jährlichen Reiz der DMEXCO ausmachen, finden jedoch nicht an den Tischen und Besprechungsräumen statt, wenn vermeintlich über das große Business gesprochen wird.

Diese Gespräche – sozusagen die Kür – passieren zufällig auf den Gängen der Messe, wenn man zwischen zwei Terminen von Stand zu Stand hetzt oder nach dem Messetag noch ein Bier oder Cocktail an einem anderen Messestand trinkt. Hier entsteht diese spannende Mischung, dass man Freunde, alte und aktuelle Kollegen und jede Menge neue Kontakte aus der Branche kennenlernt.

In diesen Gesprächen geht es nicht um die neueste Sonderwerbeform, die letzte Datenschutz-Anpassung oder das letzte Technik-Release. Hier geht es um Networken im besten Sinne, das Gespräch über unseren Beruf, Motivation, Spaß und persönliche Erfahrungen. Diese zufälligen Begegnungen haben auch zu jeder Menge neuer Kontakte und sorgen letztendlich auch für mehr Geschäft. So waren auch dieses Jahr am ersten Messetag viele Messestände gegen 21 Uhr noch sehr gut besucht. Dass sich dabei jeder Messestand durch noch lautere Musik von dem Stand nebenan abgrenzen möchte, scheint ein Relikt à la „wer hat hier den Größten in der Halle“ zu sein.

Ich denke, dass es gerade vor dem Hintergrund der ökonomischen Situation auch für Messen nicht um ein „höher, schneller, weiter“ gehen kann – sprich, das Herausposaunen von neuen Rekorden im Hinblick auf Anzahl der Teilnehmer, Aussteller und Speaker. Hier hat die Dmexco dieses Jahr ein zeitgemäßes Maß an Größe, Relevanz und Themenauswahl geschaffen. Eine Bitte zum Schluss: Stellt sicher, dass nächstes Jahr wieder mehr Werbungtreibende zur Dmexco kommen, die d3con hat erfolgreich gezeigt, wie man über Formate wie den Advertisers Day die Werbekunden zur Messe-Teilnahme bewegen kann. Und wenn die Kunden kommen, werden auch Meta, Ad Alliance, Ströer und Co. wieder vertreten sein.

Frank Bachér, langjähriger Vermarktungschef im Digitalbereich und derzeit als Berater unterwegs, hat dieses Jahr die Dmexco in Köln auch für Clap besucht. Er kennt die Dmexco seit Gründung 2009 und war auch auf dem Vorgänger, der Online Marketing Düsseldorf (OMD) seit 2001.

Foto: Privat, Dmexco