Readly-Deutschland-Chefin von Bibra: „Frankreich als nächsten Kernmarkt integrieren“

Mit verändertem Personal ist die weltweit tätige Flatrate-Lese-App Readly seit ein paar Monaten auf neuem Kurs unterwegs. Unter anderem wurde Marie Sophie von Bibra neue Geschäftsführerin für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Jetzt gab es vor kurzem zwei relevante Neuigkeiten: zum einen wurde das Angebot von Regionalzeitungen deutlich vergrößert. Zum anderen kann Readly nun die Zeitschriften einer wahren Größe im Medienbusiness anbieten – Disney. Wir sprachen mit von Bibra über die Auswirkungen auf das deutsche Geschäft.

In dieser Woche konnten Sie eine neue Kooperation mit dem weltweit tätigen Medienunternehmen Disney bekanntgeben. Als Verlagsunternehmen ist Disney ja eigentlich gar nicht so stark bekannt. Was erhoffen Sie sich von dem neuen Partner?

von Bibra: Wir freuen uns riesig über diese Zusammenarbeit und es eröffnet eine neue Zielgruppe, die wir uns schon lange anschauen und jetzt konkret bedienen können. Das Interessante ist, dass diese Magazine sowohl einen großen Mehrwert für unsere erwachsenen Leser mit sich bringen, aus nostalgischen Gründen oder aus Interesse an Comics und den Disney-Helden wie zum Beispiel Star Wars oder Marvel; aber natürlich auch für Familien und Kinder. Und genau deswegen passt Disney hier sehr gut zu unserer Vision, denn wir wollen auch Kinder wieder mehr zum Lesen inspirieren und sehen das so auch in der Nachfrage widergespiegelt. Wir starten mit den englischsprachigen Titeln in allen unseren Märkten, was – wie wir bereits festgestellt haben – überall von den Lesern angenommen wird. Allein in Deutschland lesen 13 % unserer Nutzer internationale Inhalte. 

Wir sprachen vor ein paar Monaten bereits über ihre Offensive bei Zeitungen. Zu diesem Zeitpunkt konnten Sie noch nicht so viel dazu sagen. Damals war aber noch nicht so bekannt, dass bei Ihnen tatsächlich viele Anstrengungen unternommen werden, um auch Zeitungen bei Readly anbieten zu können. Ist das bereits die letzte Ausbaustufe oder hoffen Sie, noch weitere Tageszeitungsverlage überzeugen zu können?

von Bibra: Der Schritt, Zeitungen ins Angebot aufzunehmen, war einerseits komplett logisch, aber für uns eine große Umstellung, sowohl technisch in der App als auch von unserer Positionierung her; lange waren wir ja einfach “die Magazin-App”. Jetzt sind wir so weit fortgeschritten, dass die Zeitungen fester Bestandteil des Angebots sind: Über alle Märkte hinweg können wir bereits 37 nationale und 220 regionale Titel anbieten. Daher haben wir auf jeden Fall das Ziel, noch viele weitere Verlage hier an Bord zu holen. 

Neuerdings sind auch viele lokale Ausgaben der Zeitungen dabei. Für viele Leser ist diese Berichterstattung aus dem näheren Umfeld ja überhaupt noch ein Grund für ein Abonnement. Was glauben Sie: werden jetzt viele ehemalige Zeitungsleser durch ihr Angebot wieder reaktiviert oder werden einige ihr haptisches Abo kündigen, weil die Berichterstattung ja nun einfach über Readly abrufbar ist?

von Bibra: Lokalausgaben sind unsere aktuelle Priorität, hier haben wir mehr als 160 Titel in UK gelaunched und gerade in Deutschland die ersten Ausgaben aktivieren können, mit einer neuen Filterfunktion in der App. Auf Basis unserer Studien mit Verlagen bin ich überzeugt, dass die Verlage hier vor allem verlorene Leser reaktivieren können und – noch wichtiger – viele neue Leser gewinnen werden. Wir sehen das immer wieder bestätigt, dass ein Verlag in der Regel bei Readly 95% neue Nutzer gewinnt. Das liegt auch einfach daran, dass die Zielgruppe von Readly ein grundsätzlich anderes Verhalten an den Tag legt als die existierenden Print-Abonnenten. 

Neu dabei ist seit einiger Zeit auch die „Sächsische Zeitung“ der DDV-Mediengruppe, die ja zu Bertelsmann gehört. Zu dem großen Medienunternehmen gehört ja auch RTL Deutschland respektive Gruner + Jahr. Dort gibt es ja immer wieder Neuigkeiten hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Glauben Sie, dass Sie unter den neuen Voraussetzungen auch bald mehr G+J-Zeitschriften anbieten können?

von Bibra: Wir beobachten die Entwicklungen und sind hier auf jeden Fall wie schon immer für Gespräche und Möglichkeiten offen. 

Obwohl ihr Unternehmen deutliche Verluste bei den Quartalszahlen vermeldete, betonen Sie ja immer wieder, dass am ursprünglichen Ziel – das Erreichen der Gewinnzone im Jahr 2025 – weiter festgehalten wird. Ist Readly in dieser Hinsicht weiter auf Kurs? Immerhin haben sich ja die Rahmenbedingungen in letzter Zeit deutlich verändert, insbesondere für Abo-Dienstleister in der Medienbranche.

von Bibra: Wir sind nicht von unserem Ziel der Rentabilität bis 2025 abgewichen. Im Gegenteil – wir haben unsere Ergebnisse in den letzten fünf Quartalen weiter verbessert und sind tatsächlich auf Kurs. Dieses Jahr haben wir nochmal einige Dinge umgestellt. Nachdem die Pandemie und das Nutzerverhalten der letzten zwei Jahre unser Wachstum stark beschleunigt haben, wurden in den ersten zwei Quartalen dieses Jahres einige Maßnahmen eingeleitet, die uns für die Zukunft besser aufstellen. Dazu gehören die Team-Restrukturierung, Preiserhöhungen, eine klare Priorisierung unserer Kernmärkte, vor allem Deutschland, ein reduziertes Marketingbudget und ein stärkerer Fokus auf die Produktentwicklung und unsere existierenden Kunden. Wir sind optimistisch, weil wir früh reagiert haben, intern gut aufgestellt sind und weil wir sehen, dass die Relevanz von Readly für Nutzer in den letzten Jahren nochmal deutlich zugenommen hat. Es passt zu den aktuellen Bedürfnissen, vielfältige, vertrauenswürdige Informationen in einer einfachen digitalen App und zu einem Preis konsumieren zu können. Wir sehen das immer wieder in unseren Studien: die Menschen wollen lesen, sind auch bereit dafür zu zahlen – aber sie erwarten Lösungen, die zu ihrem digitalen Lifestyle passen. 

Warum läuft es in der DACH-Region für sie eigentlich deutlich besser, was die Breite des Angebots angeht, als etwa in Frankreich oder England? Auch über eine Ausweitung des Readly-Angebots in Amerika wird ja immer wieder diskutiert. Warum ist Deutschland ein so wichtiger Markt für Sie?

von Bibra: Das hat einerseits interne Gründe in der Aufstellung und Priorisierung der Märkte, da war Deutschland immer schon stark aufgestellt. Und andererseits auch am Portfolio der Inhalte. Zum Beispiel haben wir erst dieses Jahr in den USA zwei der größten Verlage, Dot Dash Meredith und Hearst, an Bord bekommen, was es uns jetzt ermöglicht, ein paar wichtige Schritte in den USA zu machen. In England wiederum sind wir weiter was das Testen neuer Formate angeht, hier haben wir Podcasts gelauncht und testen diese Initiative gerade. In Deutschland erzielen wir gerade 35 Prozent unseres Gesamtumsatzes und sehen nach wie vor sehr viel Potential. Es ist auch immer kulturell beeinflusst und auch da sind die deutschen Nutzer für uns sehr wichtig – sie stellen viele Fragen und testen das Produkt ausgiebig, sind auch kritisch, aber wenn sie von der Qualität des Produkts überzeugt sind, sind sie loyal. Intern arbeiten wir so, dass alle Erkenntnisse von einem Markt, dann auch in unsere Strategien für die anderen Märkte einfließen. Das macht es so spannend und vielfältig, aus den Unterschieden von zwölf aktiven Märkten lernen zu können. Frankreich ist der nächste Markt, den wir noch in diesem Jahr erschließen werden, und wir freuen uns sehr darauf, ihn als unseren nächsten Kernmarkt zu integrieren. 

Interview: dh

Fotos: Readly