Der Regisseur und Comedian Carsten Strauch hat eigentlich zu Ostdeutschland wenig Bezug. Doch er ist ein Verwandlungskünstler. Seiner Figur „Stormtrooper Dieter“, in die er immer wieder in seinem YouTube-Kanal schlüpft, gab der gebürtige Hesse einen ostdeutschen Dialekt. Wir steckten ihn deswegen im Rahmen eines Interviews in ein echtes Trabi-Cabrio.
Humor mit Tiefgang, so wie in dem aktuellen Kinofilm „Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“. Warum ist das eigentlich so schwierig?
Strauch: Humor mit Tiefgang bedeutet in gewisser Weise immer auch eine Haltung zu haben, das heißt in gewissem Maße auch politisch zu sein. Wenn das auf eine Gesellschaft trifft, bei der die politischen Ränder lauter werden und die immer empfindlicher wird gegenüber Meinungen, die von den eigenen Ansichten abweichen, und wenn die Reizschwelle, bei der man sich persönlich beleidigt und angegriffen fühlt, immer weiter sinkt, dann trifft man zunehmend auf ein schwieriges Umfeld. Eine erhöhte gesellschaftliche Sensibilität ist zwar einerseits gerade für Minderheiten eine sehr positive Entwicklung, andererseits wird es immer schwieriger, überhaupt etwas Humorvolles zu erzählen, weil immer schon die Selbstzensur im Hinterkopf mitläuft, weil man sich ständig fragt, ob das jetzt eigentlich noch PC ist und wessen Gefühle dadurch verletzt sein könnten. Mit Humor, gerade wenn er eine Haltung hat, begibt man sich immer mehr auf ein Feld voller Tretminen.
Haben sich Satiresendungen im Streaming-Zeitalter eigentlich irgendwie verändert in Deiner Wahrnehmung? Muss alles „Snackable“ sein genug für die Zweitverwertung bei YouTube & Co. sein?
Strauch: Klar, das Timing verändert sich. Formate sind heute prinzipiell schneller als vor einigen Jahren. Da spielt sicher auch das Internet eine entscheidende Rolle. Ich denke aber, dass dies zum größten Teil automatisch geschieht, denn unsere Wahrnehmungs-Gewohnheiten verändern sich ebenfalls. Das ist ein Prozess, den man eigentlich erst wirklich bemerkt, wenn man zum Vergleich mal wieder eine ältere Sendung sieht. Sicher ist auch die Verwertung auf verschiedenen Plattformen mittlerweile im Hinterkopf, dennoch glaube ich, dass ein Sketch in sich stimmig sein muss. Der Humor gibt ein bestimmtes Timing vor und dieses Timing muss stimmen, damit die Pointen zünden. Aber der Zeitgeist spielt bei der Wahrnehmung dieses Timings eine große Rolle.
Sketch History gehörte zu den aufwändigsten Comedy-Formaten im deutschen Fernsehen. Welcher Sketch war Deiner Meinung nach der aufwändigste?
Strauch: Das ist schwer zu sagen. Einer meiner aufwändigsten Sketche war aber sicher Howard Carter bei der Entdeckung des Grabs von Tutanchamun. Zumindest wenn man Aufwand pro Minute rechnet. Denn der Sketch ist sehr kurz und es wurde extra für diesen Sketch die komplette Ausgrabungsstätte aufgebaut und ausgestattet, inklusive historischem Fahrzeug. Dann gab es noch eine Farbexplosion. Oft drehen wir mehrere Sketche in einer Location, was natürlich den einzelnen Sketch günstiger macht. Das war hier nicht so. Schließlich mussten die Aufnahmen auch noch in die digitale Bildbearbeitung, wo eine Pyramide als digitale Set-Ergänzung hinzugefügt wurde.
Einer der Erfolge bei der ZDF-Sendung war der Auftritt von Kinski als Gaius Julius Caesar in dem Sie Brutus gespielt haben. Hat das eigentlich deswegen so gut funktioniert, weil Max Giermann so gut den Choleriker gespielt hat und weil es mehr cholerische Menschen gibt, als man denkt?
Strauch: Einen Choleriker zu beobachten, kann schon sehr amüsant sein, vor allem wenn man nicht selbst von den Attacken betroffen ist. Dieses erhöhte Aggressionspotential wirkt einfach sehr absurd, weil man es als absolut unangemessen empfindet. Das gilt natürlich in ganz besonderem Maße für die verbalen Ausfälle von Klaus Kinski, der die Messlatte für cholerisches Verhalten sicher noch einmal ordentlich nach oben gesetzt hat. Setzt man dieses Verhalten aber in einen historischen Kontext, so wird der Kontrast noch stärker sichtbar und wirkt umso absurder. Ich denke aber, dass der Humor in diesem Fall schon sehr spezifisch mit den verbalen Ausfällen von Kinski verknüpft ist, der von Max großartig parodiert wird, und es nicht so sehr um die allgemeine Darstellung eines Cholerikers geht. Es kommt hinzu, dass wir ein ausgezeichnetes Autoren-Team haben, und auch die Texte schon immer sehr präzise beobachtet und auf den Punkt formuliert sind. Alles Faktoren, die einen großen Einfluss auf die Gesamtwirkung haben.
In der DDR hatte immer Hans-Joachim Preil (zusammen mit Rolf Herricht) den aufgeregten Choleriker gespielt. Haben Sie das schonmal gesehen? Was ist daran gut?
Strauch: Nein, das kenne ich leider nicht. Aber ich denke mal, ein Pendant im Westen war vermutlich Ekel Alfred aus der Serie „Ein Herz und eine Seele“. Solche extremen Charaktere kommen oft gut an, weil sie viel Reibungsfläche bieten.
Haben Sie vielleicht Wolfgang Stumph aus dem Film Go Trabi Go jemals getroffen? Gute Witze über die Ostdeutschen gibt es heutzutage gar nicht mal so viele, obwohl diese alles andere als humorlos sind.
Strauch: Nein, den habe ich leider nicht gesehen und Wolfgang Stumph auch nicht getroffen. Dass die Ostdeutschen viel Humor haben, konnte ich bei einem Engagement an der Comödie Dresden feststellen.
Gab es bei Dir auch mal einen Dreh mit Autos in der Vergangenheit? Hast Du irgendeinen Bezug zum Trabi oder zu Ostdeutschland?
Strauch: Beim Dreh für den Fernsehfilm „Meine Freundin Volker“ mit Axel Milberg, der nächstes Jahr seine Erstausstrahlung im Ersten hat, musste ich einen sehr alten Mercedes fahren, einen Oldtimer. Das war durchaus eine gewisse Herausforderung, da vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, wie z.B. eine Servolenkung, einfach nicht vorhanden war. Auch die Gangschaltung war durchaus gewöhnungsbedürftig. Die größte Herausforderung besteht dann darin, alles so beiläufig zu bedienen, als würde man jeden Tag mit diesem Auto fahren. Einen Bezug zu Ostdeutschland habe ich über meine Figur „Stormtrooper Dieter“, in den ich immer mal wieder für meinen YouTube Kanal „Carsten Strauch Comedy“ schlüpfe. Das ist eine Star Wars Parodie und Dieter ein typisch deutscher Charakter, der in dieser Welt eher deplatziert wirkt. Ihm habe ich einen leicht sächsischen Dialekt gegeben, um den Kontrast noch stärker auf den Punkt zu bringen. Allerdings bin ich gebürtiger Hesse und hoffe sehr, mit meinem Sächsisch auch ostdeutsche Ohren nicht zu stark zu strapazieren.
Foto: Alexander von Spreti