Hajo Strauch über die kommende Fußball-WM: „TV-Kampagnen ab 170.000 Euro“

Über Katar als ungünstigen Austragungsort ist viel geschrieben worden. Fakt aber bleibt: Die Fußball-WM wird ab 20. November mitten in der kalten Jahreszeit laufen. Größere Fanmeilen, die es früher zu diesem sportlichen Großereignis zur genüge gab, werden daher folgerichtig ausbleiben. Insofern werden die meisten das Ereignis vor dem Bildschirm mitverfolgen. Eigentlich ganz gute Voraussetzungen für die Werbevermarktung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, auch weil die  Spiele in der Vorrunde noch vor 20 Uhr ausgetragen werden. Wir sprachen mit Hajo Strauch, Chef des ZDF Werbefernsehens, über das kommende TV-Großereignis.

Trotz der ganzen Katar-Kritik in den Medien – wird es Ihrer Meinung nach mehr Fernsehzuschauer als während der WM in Russland vor vier Jahren geben?

Strauch: Es ist grundsätzlich schwierig, eine Winter-WM mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Russland 2018 zu vergleichen. Hier liegen uns keine Leistungswerte von Weltmeisterschaften vergangener Wintersaisons vor, die wir für Prognosen heranziehen können. Einerseits. Doch andererseits haben Großsportereignisse wie Fußball Europa- und Welt-Meisterschaften schon immer eine große Anziehungskraft – auf Seherschaften wie auch auf den gesamten Werbemarkt. Bisher sind wir mit den Buchungen sehr zufrieden, können aber noch freie Flächen, sowohl in den Vorrunden-Spielen als auch in der K.o.-Phase, anbieten. Zudem werden kaum bis keine Public Viewings stattfinden; ein Lagerfeuer-Erlebnis in unseren Wohnzimmern ist also vorprogrammiert. Mit einer Fußball-Weltmeisterschaft in der reichweitenstarken Winterjahreszeit werden daher Zuschauer:innen und Zielgruppen erreicht, zu denen wir während einer Sommer-WM nicht durchdringen würden. Und das bei einer stabilen Preisstrategie, die sich an Turnieren aus den Sommermonaten orientiert: Winter-Weltmeisterschaft zu Sommerpreisen. Ich sehe gute Chancen, dass diese Winter-WM an die Erfolge von Fußball-Weltmeisterschaften im Sommer anknüpfen oder diese sogar übertreffen wird.

Etliche Spiele in der Vorrunde werden 11 Uhr, 14 Uhr oder 16 Uhr ausgetragen. Für Sie als Vermarkter eines öffentlich-rechtlichen Senders dürfte das wegen der Werbebeschränkungen nach 20 Uhr doch ein Riesenvorteil sein. Oder etwa nicht?

Strauch: Aus Vermarktungssicht freut es uns in der Tat sehr, dass aufgrund des geringen Zeitunterschieds Katar-Deutschland – von nur einer Stunde – so viele Spiele im werberelevanten Zeitfenster stattfinden werden. Unsere Sponsoringangebote für Spiele mit deutscher Beteiligung und für das Finalspiel dürfen auch an Sonn- und Feiertagen wie auch nach 20 Uhr ausgestrahlt werden.

Die ARD darf in der Vorrunde alle deutschen Spiele zeigen. Sind sie da etwas neidisch auf die Kollegen?

Strauch: Keine Frage: Dass im ZDF keine werberelevanten Spiele mit deutscher Beteiligung aus der Vorrunde übertragen werden, bedauern wir als Vermarkter natürlich sehr. Wobei die Spiele ohne deutsche Beteiligung keineswegs zu unterschätzen sind. Im Gegenteil: Hier können sich Buchende nicht nur über ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis freuen. Nicht-deutsche Spiele erzielen Top-Leistungswerte. Mit acht Schaltungen im Werbeumfeld nicht-deutscher Spiele können TV-Kampagnen für rund 170.000 Euro gebucht werden.

Wie wir hörten, wird es eine werbliche Innovation geben. Zwischen der Nationalhymne und dem Anpfiff des Spiels können Sie den neuen Single-Spot anbieten. 13 Solo-Spots stehen da bei Ihnen zur Auswahl. Wird das von der Werbewirtschaft bereits gut angenommen?

Strauch: Wir freuen uns sehr, dass unsere Sponsoring-Plätze bereits alle ausgebucht sind. Klassische Werbeflächen können wir noch in allen Phasen des Turniers anbieten. Neu in diesem Jahr sind die beiden Golden Spot-Pakete – unsere neue und exklusive Werbeform unmittelbar nach den Nationalhymnen und vor dem Anstoß in der ersten Halbzeit. Das Paket für die K.o.-Phase mit sechs Spots ist bereits verkauft – ein Golden Spot-Paket mit 13 Spots in der planungssicheren Vorrunde steht noch zur Verfügung.

Wir leben in einer sehr nachrichtenintensiven Zeit mit sehr vielen Unwägbarkeiten. Erwarten Sie, dass deshalb sehr viele Buchungen erst kurzfristig finalisiert werden? Oder ist sogar das Gegenteil der Fall, weil bei der WM eine größtmögliche Distanz zur derzeitigen Krisenberichterstattung besteht?

Strauch: Erfahrungsgemäß aus der Vermarktung vergangener WM- und EM-Turniere wissen wir: Nach dem ersten Anpfiff zieht das Buchungsgeschäft noch einmal an. Bei klassischen Werbeflächen lassen sich noch kurzfristig Buchungen vornehmen. Kunden können also noch bis zum Vortag eines Spiels Werbeflächen buchen.

Die Frauenfußball-EM im Juli in England war ein Quotengarant. Könnte es sein, dass vielleicht stärker als früher sich Frauen für Fußball interessieren? Wie hoch könnte die Frauenquote in diesem Jahr sein?

Strauch: Aus Sicht der TV-Vermarktung freuen wir uns natürlich sehr, dass die UEFA Women’s Euro 2022 in England herausragende Quoten erzielt hat. Die meistgesehene Sendung im Juli dieses Jahres, die im ZDF ausgestrahlt wurde, war das EM-Halbfinale Frankreich gegen Deutschland. Mit durchschnittlich fast zwölf Millionen Zuschauern und Zuschauerinnen in der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren und einem Marktanteil von rund 47 Prozent war das Interesse groß. Dies mag sicherlich auch an den großartigen Erfolgen unserer Damen-Nationalelf liegen. Doch nicht nur die UEFA Fußball-Europameisterschaft der Frauen 2022: Schon die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland erfreute sich einer immer größer werdenden Fangemeinde unter den Zuschauerinnen. Durchschnittlich 40 Prozent der weiblichen Gesamtseherschaft verfolgten die WM-Saison in Russland. Gerade mit Blick auf die winterliche Austragungszeit, in der TV-Kampagnen rund um Weihnachten grundsätzlich mehr Frauen an den Bildschirmen erreichen, können wir uns sicher wieder auf Top-Quoten innerhalb der weiblichen Gesamtseherschaft freuen.

Ein anderes sportliches Großereignis war in diesem Jahr die Leichtathletik-EM in München in diesem Jahr. Wie haben Sie als Vermarkter und Leichtathletik-Fan das Comeback der Wettkämpfe auf der Tartanbahn erlebt?

Strauch: Die European Championships 2022 in München haben wieder einmal gezeigt: Großsport-Ereignisse – auch jenseits von Fußball-Meisterschaften – sind ein Zuschauer:innen-Magnet. Ob für Markentreibende oder unsere Zuschauer:innen: Sport-Highlights, die dann auch noch live ausgestrahlt werden, beleben die Märkte.

Interview: Daniel Häuser

Foto: ZDF