„Der Spiegel“ plötzlich gratis: Klusmann ist sauer auf die Post

Das verursachte beim Schnäppchenportal MyDealz in den vergangenen Wochen einen Riesenansturm: Die Spiegel Verlagsgruppe veröffentlichte die letzten aktuellen Ausgaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ gratis und vollkommen barrierefrei als pdf zum einfachen Download. So kamen interessierte Medienbeobachter beispielsweise auch völlig unkompliziert in den Genuss des nicht unumstrittenen Interviews mit Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, das eigentlich nur hinter einer Paywall aufzufinden war. Bei MyDealz musste sogar die Kommentarfunktion unter dem Artikel entfernt werden, weil der „Thread beim letzten Mal so eine große und politische Diskussion ausgelöst hat.“ Schon beim ersten Gratis-Spiegel gab es dort über 1.000 Kommentare.

Große Aufmerksamkeit dafür also, aber es ist auch kein Wunder, etwas vergleichbares gab es in diesem großen Umfang noch nicht. Insgesamt fünf Ausgaben stellte der Verlag zur freien Verfügung. Grund für die außergewöhnliche Maßnahme bei den Hamburgern ist anders als vielleicht angenommen nicht etwa nur der derzeit laufende Poststreik. Die Spiegel-Macher rund um Chefredakteur Steffen Klusmann (im Foto) sind ganz offensichtlich nicht mehr mit der Zeitschriften-Zustellqualität der Deutschen Post zufrieden.

Denn die Gratis-PDFs kommentiert ein Spiegel-Sprecher überraschend so: „Wie andere Verlage auch hatten wir in den vergangenen Monaten immer wieder Probleme bei der pünktlichen Belieferung unserer Abonnent:innen durch die Deutsche Post. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, bis auf Weiteres die jeweils aktuelle Ausgabe des Spiegel für unsere Abonnent:innen als PDF digital frei verfügbar zu machen.“

So große Probleme bereits „in den vergangenen Monaten“? Die gab es mit der Deutschen Post also schon weit vor dem Poststreik. Hier scheint es gerade um etwas Verlags-Systemkritisches zu gehen. Denn aus Spaß wird der „Spiegel“ zu solchen drastischen Mitteln sicher nicht geifen. Allgemein beklagen viele Verlage schon seit einiger Zeit den nachlassenden Service bei der Deutschen Post. Besonders ärgerlich ist, dass die Bonner allerdings in den vergangenen Jahren immer wieder ihre Preise für den Presseversand erhöht haben.

Der scheidende Post-Chef Frank Appel, unter dessen Ägide etliche für Verlage ungünstigen Entscheidungen getroffen wurden, muss sich fragen lassen, anhand welcher KPI’s diese Preisentscheidungen nötig gewesen sind. Doch der schweigt zu dem Thema und malt lieber hinsichtlich des Poststreiks den Teufel an die Wand. Wenn die Papierpreise steigen müsse die Post allerdings nicht noch zusätzlich ihre Abgaben erhöhen, das sagen immer wieder prominente und mit der Sache vertraute Marktteilnehmer zu Clap. Und wie zu hören ist, macht sich auch in den oberen Etagen der Verlegerverbände Unmut breit.

„Der Spiegel“ stellt allerdings vorerst die Gratis-Belieferung am heutigen Freitag ein. Technisch ist mittlerweile an der Ericusspitze eine andere Lösung gefunden worden. Gratis gibt es dann für die Allgemeinheit also künftig nichts mehr, ein neues Verfahren ermöglicht den „Spiegel“-Abonnenten den Zugriff.

Bei einer verspäteten Lieferung durch die Post stehen ab sofort somit mehrere Optionen zur Verfügung. Die Registrierung im Servicebereich für Abonnenten ermöglicht jetzt den Zugriff auf die digitale Ausgabe, inklusive PDF. Alternativ bietet sich die Möglichkeit, mit Spiegel+ auf die digitale Ausgabe des Magazins zuzugreifen. Zusätzlich können Abonnenten per Gutschein das aktuelle Heft bei ausgewählten Einzelhändlern erhalten. Das neue Verfahren werden sich sicherlich auch andere Verlage anschauen. Der „Spiegel“ steht mit den Postproblemen ja nicht alleine da. (dh)