Teilzeit-Ruheständler Jakobs: Buchprojekte und eine ausgebaute Website

„Hans-Jürgen Jakobs geht in den Ruhestand“. Diese Schlagzeile sorgte vor einigen Wochen für Aufmerksamkeit in der Kommunikationsbranche. Aber geht so ein Arbeitstier wie Jakobs wirklich in Rente? Schwer vorstellbar. Wir haben ihn nach einem langen Urlaub gefragt, was er in der kommenden Zeit wirklich vorhat.

Sie waren mehrere Wochen in Asien im Urlaub. Wie hat sich das nach so vielen Jahren selten unterbrochenem Journalistenleben für Sie angefühlt?

Jakobs: Journalismus ist keine Qual, von der man sich möglichst lange erholen muss. Er regt an, so wie drei Wochen Sri Lanka. Auf diese Weise stimuliert kann man auch im Urlaub gut schreiben, selbst auf der Sonnenliege.

Waren Sie froh, Ihr „Morning Briefing“ endlich nicht mehr zu nachtschlafender Zeit fertigstellen zu müssen?

Jakobs: Ich vermisse die nächtliche Nachrichtenlage und den schönen Zwang, daraus unter gelegentlicher Missachtung der Deadline etwas Originelles zu machen. Was ich nicht vermisse, ist Schlafentzug. Also: Insgesamt bin ich froh, mich „ausgeschlafen“ mit Texten beschäftigen zu können. 

Fast zeitgleich mit der Bekanntgabe, dass Sie in den Ruhestand gehen wollen, haben Sie das Buch „Das Monopol im 21. Jahrhundert“ veröffentlicht, in dem Sie nicht mit Kritik an Google und Amazon sparen. Was hat Sie motiviert, dieses Buch gerade jetzt zu schreiben?

Jakobs: Inzwischen sind wir von Monopolisten und Quasimonopolisten geradezu umzingelt. Das muss man nicht als „normal“ empfinden, wenn soziale Marktwirtschaft und Wettbewerb noch eine Rolle spielen sollen. Und ich bin auch nicht – wie offenbar so viele – sehr beruhigt, wenn sich Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft wenigstens manchmal untereinander noch Konkurrenz machen. Im Übrigen: Die Macht von Blackrock oder der chinesischen Rohstoffmonopole sind mindestens genauso gefährlich.

Werden Sie denn eigentlich wirklich Ihre journalistische Tätigkeit komplett einstellen oder haben Sie noch vor, hier und da in dem Beruf zu arbeiten?

Jakobs: Ich schreibe und moderiere weiter für das ‚Handelsblatt‘ und veröffentliche hier und da auch in anderen Medien. Eine ausgebaute Website entsteht gerade. Weitere Buchprojekte sind möglich. Wenn Sie so wollen, bin ich Teilzeit-Rentner. Oder, anders gesagt: einmal Journalist, immer Journalist.

Sie galten mal als der beste Medienjournalist Deutschlands, zumindest hat Sie jedenfalls mal ein bekannter Kollege so genannt. Wohl auch, weil Sie viele Jahre lang als Medienressortleiter der „Süddeutschen Zeitung“ unzählige exklusive Geschichten veröffentlicht haben. Was missfällt Ihnen gerade am Medienjournalismus?

Jakobs: Dass er so wenig geschätzt wird. Dass ihm der Nachwuchs abhandenkommt. In einer digitalen, medial vermittelten Welt brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Medienjournalismus. Elon Musk ist viel gefährlicher als es Rupert Murdoch oder Leo Kirch je waren.

Bei Ihrer Arbeit als Wirtschaftsjournalist fällt auf, dass Sie sich in Ihrer Karriere vergleichsweise oft auf Whistleblower bezogen haben, was ja nicht immer ganz risikolos ist. Warum haben Sie immer so viel Vertrauen in Ihre Informanten gehabt?

Jakobs: Keine Sorge, ich habe stets geprüft, ob jemand ein Eselchen als Pferd verkaufen wollte. Aber dann konnte es losgehen. Solche Gesprächspartner liefern den wahren Stoff, aus dem Journalismus ist. Deshalb: Informanten kann es nie genug gegeben. Auch die spleenigsten unter ihnen haben jedes Recht, gehört zu werden. Geld sollten sie allerdings nicht erwarten, nur die Ehre der Indiskretion.

Jüngst sagte Springer-Chef Mathias Döpfner: „Journalismus-Kreation wird zum Kern unseres Tuns. Journalistische Produktion wird zum Nebenprodukt, immer mehr technisch gestützt und automatisiert.“ Glauben Sie, dass Maschinen jemals investigative Recherche ersetzen kann? 

Jakobs: Lieber nicht. Welcher Informant mit Seelennöten „redet“ denn gerne mit der Investigativ-Abteilung ChatGPT? Natürlich, ein Klaas Relotius könnte dank Software besser enttarnt werden, dem „Spiegel“ blieben Blamagen erspart. Und wenn es um Datenjournalismus geht, spielt Künstliche Intelligenz sicher eine wichtige Rolle. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte. Bevor wir uns nun endgültig besoffen reden über das Nirwana, das unsere neuen Roboterkollegen und ihre Arbeitgeber bei Microsoft & Co bringen, sollten wir uns vielleicht noch mal besinnen, worauf es im Qualitätsjournalismus ankommt. Das ist keine Frage von „Outsourcing“ an Maschinen, sondern von „Insourcing“ an Menschen.

Zu Ihren letzten Geschichten vor ein paar Monaten gehörte eine investigative Story über Bertelsmann, RTL und Gruner + Jahr. Einiges, was Sie da beschrieben haben, ist mittlerweile schon passiert, vor allem wenn man an die bekannt gewordene Einstellung mancher G+J-Zeitschrift denkt. Was glauben Sie: Welche Auswirkungen wird diese Entscheidung auf das Medienbusiness in diesem Jahr noch haben?

Jakobs: Hier wird mutwillig mit bewusst schlecht gerechneten Zahlen ein Verlag zerstört, der Vorbild in Europa war. Es fehlt künftig an publizistischem Wettbewerb. 700 Stellen sind weg, und das könnte auch andernorts zu Personaleinsparungen ermuntern. Im Vergleich zum verbal-ethisch so mustergültigen Musterkonzern Bertelsmann geht jeder Private-Equity-Fonds bei Firmen-Adjustierungen geradezu sensibel vor. Kleiner Trost: Aus Kleinholz kann Bauholz werden. Zeitschriften wie „Art“ oder „11 Freunde“ mögen zum Kölner Camp von Managerkönig Thomas Rabe nicht mehr passen, werden in ihren Nischen aber unter anderer Ägide weiter blühen. Ein letztes: So viele Leute können Sie in der Pressestelle in Gütersloh gar nicht einstellen, wie es nötig wäre, um diesen Image-GAU auszugleichen. Davon wird im Geschäftsbericht nichts stehen.

Interview: dh

Foto: Verlagsgruppe Handelsblatt