Das von Ernährungsminister Cem Özdemir geplante Verbot von ungesunder Kinderlebensmittel-Werbung sorgt für Schlagzeilen. In einem Gutachten vom Werbeverband ZAW hieß es, dieses mögliche Gesetz sei rechtswidrig, so steht es unter anderem auch in einem aktuellen „Welt“-Artikel. Es sei unzulässig und unverhältnismäßig, Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt weitgehend zu verbieten. Wir haben über die Entwicklungen mit Mr. Media, Thomas Koch, gesprochen.
Nach den Habeck-Heizungen kommen nun scheinbar die Özdemir-Verbote. Es geht jetzt nicht um Kleinigkeiten, denn es sind nicht nur Werbeverbote für stark übersüßte Süßwaren vorgesehen. Auch das Gummibärchen wird eventuell nicht mehr von einem Prominenten beworben werden können, wenn sich der Gesetzentwurf von Cem Özdemir durchsetzt. Warum rückt er eigentlich erst jetzt damit so richtig raus, in seinem Wahlkampf vor der letzten Bundestagswahl war weit und breit nichts davon zu sehen?
Koch: Wenn das die Özdemir-Verbote sein sollen, dann kommen jetzt die „Koch-Gebote“. Es geht eben nicht nur um Süßwaren, sondern nach der Definition auch um Gouda-Käse und Olivenöl. Es ist zwar nicht nachvollziehbar, aber offenbar Tatsache, dass hier sehr viele Menschen im Ministerium nicht zuende gelesen und und nicht zuende gedacht haben. Man kann doch unmöglich wollen, dass für 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel, praktisch für alle verpackten Lebensmittel, künftig ein Werbeverbot besteht. Abgesehen davon, dass hiermit die Finanzierung vieler Medien und damit unsere verfassungsmäßig verbriefte Medienvielfalt in Frage gestellt wird, würde man damit auch die derzeitigen Marktanteile einfrieren. Die Einführung neuer, auch innovativer Lebensmittel wäre nicht mehr möglich. Die Marktwirtschaft, wie wir sie kennen und lieben, würde aufhören zu existieren. Das ist alles so unfassbar, dass man es nicht glauben mag.
Man darf sich auch fragen, ob so ein Werbeverbot für Süßes überhaupt zielführend ist. In England hat man da keine guten Erfahrungen gemacht, es gab kaum Erfolge. Nach 15 Jahren Werbeverboten beträgt der Beitrag gesetzlicher Werbeverbote laut „Impact Assessment“ zwei Kilokalorien pro Tag und Kind. Macht es eigentlich wirklich Sinn an empirischen Daten vorbei zu entscheiden?
Koch: Wenn es wirklich so kommt, dann müsste man auch die Werbung für viele andere Produkte verbieten. Auch Barbies machen süchtig. Facebook und TikTok sowieso. Werbung für Autos müsste ebenso auf der Stelle verboten werden, weil sie die Umwelt schädigen. Auto müssten gleich mit verboten werden. Zumindest wäre dann das leidige Thema Geschwindigkeit auf Autobahnen endlich vom Tisch. Ich bin gegen jegliche Verbote dieser Art. In mir sträubt sich generell etwas vehement gegen Verbote. Nicht nur, weil sie nachweisbar keine Wirkung haben (das Rauchen insbesondere unter jungen Menschen nimmt gerade signifikant zu), sondern weil es viel bessere Lösungen gibt, die noch nicht umgesetzt wurden.
Sie sind derzeit ohnehin stark im Gespräch mit bekannten Unternehmen. Was sagen die denn dazu? Was hören Sie aus dem Markt?
Koch: Ich bin jeden Tag im Gespräch mit Marketingverantwortlichen in sehr großen bis sehr kleinen Unternehmen. Überall erleben wir eine Zeitenwende. Viele Verantwortliche nehmen Themen wie Umwelt, Nachhaltigkeit und Gesundheit unglaublich ernst. Sehr viel ernster als noch vor zwei Jahren. Da bewegt sich gerade etwas sehr Großes. Wenn Politik und Gesellschaft den Dialog mit Unternehmen suchen, würde das sofort Früchte tragen. Bei den Unternehmen, die diesen letzten Anstoß brauchen. Unendliche viele Firmen brauchen nicht einmal diesen Anstoß, sie brauchen nur etwas Zeit. Ein Thema wie Lieferketten verändert man nicht innerhalb von ein paar Monaten.
Warum entwickelt sich denn die Gesellschaft überhaupt in diese teils spießige und andererseits politisch überkorrekte Richtung? Am besten alles verbieten, was Spaß macht?
Koch: In jedem Unternehmen, in jeder Agentur, in jedem Medienunternehmen arbeiten Mütter und Väter, die für ihre Kinder Gesundheit und eine erhaltenswerte Welt wünschen. Sie alle sind Teil dieser, unserer Gesellschaft. Behandeln wir sie nicht wie Idioten und Ignoranten, sondern mit Wertschätzung. Dialog statt Verbote. Verbote sind populistisch. Sie sind nicht intelligent. Wir sind eine offene Gesellschaft mit vielen Meinungen und einer hart erkämpften, gut funktionierenden Demokratie. Werbeverbote diesen Umfangs rücken uns, ich mag es gar nicht aussprechen, tatsächlich in die Nähe von Regimes, die es gewohnt sind, ihren Bürgern alles vorzuschreiben und vieles zu verbieten. Ich möchte, dass unsere Gesellschaft eine vorwärtsgerichtete Richtung einnimmt, nicht rückwärts.
Verwundert es nicht, dass der Aufschrei in der Werbewirtschaft bislang noch so klein ausfällt?
Koch: Ist das Thema wirklich so groß? Ja, es ist so groß. Die Werbewirtschaft verhält sich relativ ruhig und lässt ihre Verbände in Ruhe ihre Arbeit tun. Dafür bin ich den Protagonisten dankbar. Ruhe bewahren ist richtig. Das Ministerium in Ruhe zu Ende denken lassen und ihm den Schritt zurück ohne Gesichtsverlust ermöglichen. So macht man das.
Interview: dh
Foto/Montage: Alexander von Spreti