Kilubi und der Generationenkonflikt in den Medien: „Schieflage im System“

Der demografische Wandel ist ihr Thema: Nun hat die Universitätsdozentin und Unternehmensberaterin Iréne Kilubi aus ihrem Schwerpunkt ein Buch geschrieben. Es kommt am 29. Februar in den Handel. Auch die Generationenkonflikte in den Medien, die es oftmals gibt, spielen in der Veröffentlichung eine größere Rolle. In einem Exklusiv-Interview baten wir Kilubi, ihre Thesen in dieser Hinsicht noch etwas zu konkretisieren. 

In Ihrem Buch „Du bist mehr als eine Zahl: Warum das Alter keine Rolle spielt“ beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Zeit. Warum spielt die Thematik in Ihrem Leben eine so wichtige Rolle?

Kilubi: Meine Mutter und meine Schwester arbeiten beide in der Pflege. Sie müssen also tagtäglich generationsübergreifend denken und kommunizieren; sie kennen die Fallstricke, die ich im Unternehmenskontext analysiere aus dem ganz konkreten Arbeitsalltag. Ich habe meine Mutter früher oft von der Arbeit abgeholt und bin dabei mit den Senior*innen ins Gespräch gekommen – dabei habe ich gemerkt, dass ihre Stimmen im Alltag viel zu wenig gehört werden. Das hat mich früh geprägt. Die Idee für meine Initiative Joint Generations bezieht sich auch auf dieses Spannungsfeld – als ich mich im Studium intensiver mit dem Thema befasste fiel mir auf, dass es viele Initiativen gibt, die sich um die Belange von Kindern und Jugendlichen kümmern, nur wenige um die Belange von älteren Mitmenschen und noch weniger, die sich das Zusammenbringen von Generationen widmen. Diese Lücke möchte ich schließen.

Warum gelingt das generationsübergreifende Miteinander in Unternehmen oftmals nicht so gut?

Kilubi: Auch, wenn die Meisten es vermutlich nicht so benennen würden: Der Faktor Angst spielt hier – meiner Meinung nach – eine große Rolle. Junge Berufsanfänger*innen fühlen sich ausgebremst und mit ihren Ideen nicht gehört, sorgen sich um ihre Karriere. Ältere Kolleg*innen sorgen sich, mit der Technikaffinität der Jungen nicht mehr mithalten zu können, haben Angst, dass man ihnen ihre Position streitig macht. Die Stereotype vom ‚jungen Wilden‘ und den ‚alten Haudegen‘ sind noch stark in den Köpfen der Menschen verankert. Deshalb geht es darum, den Menschen ihre – oftmals völlig irrationalen – Ängste zu nehmen und sie in einen produktiven Austausch zu bringen. Denn: Wenn der ‚alte Haudegen‘ und der ‚junge Wilde‘ in einem gemeinsamen Projekt-Boot sitzen, spielt das Alter auf einmal keine Rolle mehr. Vielmehr geht es um Fähigkeiten, Leidenschaft und Engagement. Es ist auch eine Frage von Empathie – sich in die Lebenswelten anderer Menschen hineinversetzen zu können.

Gibt es bestimmte Branchen, in denen das Ihrer Meinung nach besser gelingt? Und wie gut oder schlecht funktioniert es in der Medienbranche?

Kilubi: Es liegt aus meiner Sicht gar nicht so sehr an der Branche des Unternehmens, sondern eher an der Art und Weise, wie im Unternehmen zusammengearbeitet wird. Gelungene, generationsübergreifendeZusammenarbeit ist eine Frage – verzeihen Sie mir das Buzzword – des Mindsets. Es geht darum, dass Methoden wie Job Sharing, Reverse Mentoring oder Reverse Leadership in der Praxis gelebt werden. Das hängt vor allem von guten Führungskräften ab, die die Relevanz des Themas begreifen und konsequent in die Umsetzung bringen. Das gilt in der Maschinenbau- genauso wie in der Medienbranche. Um aber auf Letztere zu sprechen zu kommen: Mich ermüden beispielsweise Filme, in denen Frauen ab 50 nicht mehr vorkommen. Oder wenn doch, dann nur als verbitterte Ehefrau, die von ihrem Mann wegen einer Jüngeren verlassen wurde. Oder junge Frauen, die sich „Sugar Daddies“ angeln. Diese Rollenbilder verfestigen Vorurteile – hier sehe ich die Medienbranche deshalb besonders in der Verantwortung, mit diesen traditionellen Rollenbildern zu aufzuräumen. Ich schalte bei Filmen, die Stereotype bedienen, mittlerweile rigoros ab. 

Unternehmen wie Google, bei denen nur jüngere Leute arbeiten müssten es ja eigentlich einfacher haben. Dort kann ein Generationskonflikt gar nicht erst entstehen. Oder fehlt genau da die Erfahrung der älteren Mitarbeiter?

Kilubi: Nur, weil in einem Unternehmen keine älteren Mitarbeitenden arbeiten, heißt es noch lange nicht, dass es dort keine Generationskonflikte gibt. So hat Google im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung vor knapp fünf Jahren mehr als elf Millionen US-Dollar an 227 Beteiligte einer Sammelklage überwiesen. Alle Beteiligten der Sammelklage waren über 40 Jahre alt und warfen dem US-Konzern Altersdiskriminierung bei Einstellungsverfahren vor. Um auf die Frage zurückzukommen: In diesem Kontext führe ich gerne das Beispiel von Gero Decker, dem Gründer von Signavio an. Von seinen ersten 80 Mitarbeitern hatten gerade drei mehr als drei Jahre Berufserfahrung außerhalb von Signavio. Nach den ersten Investments hat er auch senioriger eingestellt und damit erst die Skalierung des Unternehmens ermöglicht. In Management-Sprech würde man sagen: Deckers Trumpf ist sein hoher Respekt vor der Erfahrung und der Fachkenntnis älterer Kolleg*innen. Er sieht generationsübergreifende Vielfältigkeit als Bereicherung an, fördert die Weitergabe von Wissen und Erfahrung zwischen den Generationen. Während seine jüngeren Führungskräfte flexibler und offener für Veränderungen sind, erweisen sich seine älteren, erfahreneren Mitarbeitenden oftmals als  beständiger und stabiler.

Im Printmedienbereich entsteht oftmals der Eindruck, dass der Generationswechsel schwierig wird. Oftmals sind insbesondere im oberen Management immer noch die bekannten Namen tätig, die man aus den früheren Jahren her kennt. Warum fällt das Ihrer Meinung nach in diesem Metier so schwer?

Kilubi: In der Medienbranche gibt es – gerade im Bereich Print – noch Asymmetrien. Es gibt einerseits viele Redakteure und Redakteurinnen, die schon lange im Haus arbeiten, alte und langfristige Arbeitsverträge haben – und andererseits junge Menschen, die sich meist– wenn überhaupt – von einem befristeten Vertrag zum anderen hangeln. Diese Schieflage bekommt man schwer aus dem System und genau deshalb sitzen im oberen Management bisweilen noch genau die von Ihnen bekannten Namen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will damit niemandem die Kompetenz absprechen, sondern eher darauf hinweisen, dass es eben auch strukturelle Probleme gibt, die Generationenkonflikte befeuern können.

Im Buch schreiben Sie von etlichen persönlichen Erfahrungen. Welcher Generationskonflikt hat sie in ihrem Berufsleben am meisten frustriert? Wo bekamen Sie zu wenig Wertschätzung?

Kilubi: Ich hatte mich schon während meines Studiums mit dem Thema Altersdiversität befasst, unter anderem im Rahmen von Hausarbeiten. Und wie das im Studium oft ist, hielt ich das Thema zwar für wichtig, hatte aber persönlich noch wenig konkrete Berührungspunkte mit dem Thema. Das ändert sich schlagartig mit meinem Eintritt ins Berufsleben bei einem großen deutschen Automobilhersteller. Ich war mit Mitte zwanzig – mit Abstand – die Jüngste im Team, hatte aber trotzdem klare Vorstellungen und konkrete Ziele, für die ich mich mit viel Elan einsetzte. Und es dauerte nicht lang, da hagelte es die klassischen Sprüche, die sich Berufsanfänger*innen anhören müssen: „Sei du erstmal zehn Jahre im Unternehmen, dann weißt du, wo der Hase läuft.“ Das hat mich damals einerseits frustriert, mir andererseits aber auch die Energie im Sinne von ‚Euch zeig ichs‘ gegeben. Vor knapp drei Jahren wurde ich aber auch mit Mitte dreißig von einem Panel mit der Begründung ausgeladen, dass man ‚den Jüngeren den Vortritt lassen möchte‘ – ich kenne also beide Seiten der Medaille und beide sind gleichermaßen frustrierend.

Sie haben für das Buch 60 Entscheider*innen interviewt. Welches ist Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben?

Kilubi: Manchmal ist es nur ein kleines Wort, das einen Impuls zum Weiter denken setzt. Manchmal eine Aussage, wie die von Kira Marie Cremer, die mich während des gesamten Schreibprozesses begleitet hat. Die New WorkExpertin verknüpft Alter mit Farben. Jung ist für sie rosa, alt ist für sie blau. Nichts ist negativ oder positiv, nichts besser oder schlechter. Einfach nur verschiedene Farben und Farbnuancen, Qualitäten und Eigenschaften. Für mich ergibt sich damit ein wunderbar rundes Bild.

Interview: dh

Fotos: Murmann Verlag, Thomas Dashuber