Nachrichten-Plattform für ganz Europa: Pfeffer will es nochmal wissen

Der frühere Focus TV-Geschäftsführer Matthias Pfeffer geht etwas Bedeutenderes an. Unter dem Arbeitstitel „Delphi“ will er zusammen mit dem Council for European Public Space eine News-Website für den gesamten europäischen Raum schaffen. Das Projekt wird unter Pfeffers Ägide gerade angegangen. Vor allem öffentlich-rechtliche Sender könnten auf der neuen Plattform Beiträge für ganz Europa transparent machen. Display Europe wird bei der Übersetzung in viele Sprachen helfen. Welche Ideen Pfeffer konkret verfolgt erzählt er bei uns im Exklusiv-Interview.   

Herr Pfeffer, auf Ihrer Website steht, dass Ihr Council of European Public Space sich zum Ziel gesetzt hat, einen offenen, fairen und sicheren europäischen öffentlichen Raum zu schaffen. Das kann alles und nichts bedeuten. Was meinen Sie denn mit „sicherer öffentlicher Raum“?

Pfeffer: Offen für andere Perspektiven und damit fair. Sicher vor Falschinformation und sicher vor Hass, Beleidigungen und weiteren Delikten, die offline strafbar, online aber leider immer noch leider Alltag sind. 

Welche konkreten Beispiele für Defizite sehen Sie, die den Bedarf an der Gründung des Council for European Public Space erklären?

Pfeffer: Wir haben in Europa freien Waren- und Personenverkehr, aber keinen freien Verkehr der Nachrichten und Informationen, weil sich die meisten Qualitätsangebote nur an die Zuschauer im jeweiligen Land richten und auf Grund von Geoblocking oder mangelnden Übersetzungen nicht europaweit verfügbar sind. Dabei gibt es Mitgliedsstaaten, in denen die Pressefreiheit gefährdet und die Pressevielfalt doch eher überschaubar ist. In einigen Ländern gibt es schon aufgrund der geringen Einwohnerzahl kein sehr vielfältiges Angebot. Die Forschung zeigt, dass das Vielfaltsangebot an Medien mit dem Standard der Demokratie korreliert. Umgekehrt führt das Defizit an Medienfreiheit und Medienvielfalt zu einer Schwächung der Demokratie. 

Weiter schreiben Sie, dass sich ein Rat aus „herausragenden europäischen Persönlichkeiten zusammensetzen wird“, die unterschiedliche Perspektiven vertreten werden, um das „gemeinsame Ziel eines demokratischen und stärker geeinten Europas zu erreichen“. Welche Kriterien wurden bei der Auswahl dieser europäischen Persönlichkeiten berücksichtigt, und wie garantieren Sie, dass sie nicht nur als repräsentative „Gesichter“ dienen, sondern tatsächlich vielfältige Perspektiven und Ansichten einbringen werden?

Pfeffer: Europas Stärke besteht in der Vielzahl seiner Perspektiven, das soll das Council für European Public Space auch möglichst gut widerspiegeln. Wir streben einen Beirat von rund 15 bis 30 Personen an, dabei ist es natürlich nicht möglich, alle Perspektiven vollständig abzubilden. Aber da sich alle, die uns unterstützen, für etwas Größeres einsetzen, nämlich das Zusammenwachsen Europas, mache ich mir da keine Sorgen, dass es doch recht gut gelingen wird. Wir werden uns am Ende an unseren Vorschlägen und Initiativen messen lassen, und dort werden sich die Expertisen und Netzwerke unserer Beiräte niederschlagen.  

Im Vorgespräch haben Sie mir erzählt, dass Sie eine News-Website für den gesamten europäischen Raum schaffen wollen. Damit könnte auch künftig eine journalistische Strategie für die EU verfolgt werden. Sie wollen eine Plattform schaffen, bei der beispielsweise öffentlich-rechtliche Sender relevante Nachrichten-Beiträge einstellen können. Warum halten Sie das für notwendig?

Pfeffer: Unser Leuchtturmprojekt soll die Errichtung einer TV Nachrichten- und Informationsplattform sein, in der alle Europäer alle europäischen Qualitätsnachrichten in ihrer eigenen Sprache sehen können. Eine solche Plattform würde die Medienvielfalt  in Europa mit einem Schlag massiv erhöhen – und das, ohne eine Minute neuen Materials zu produzieren. Zudem würde zum ersten Mal eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit entstehen, weil wir heute mit KI-Technologie die Sprachgrenzen überwinden können. Das war vorher nicht möglich. Würde Robert Schuman noch leben, er würde das unterstützen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie somit bald eine breite Palette unterschiedlicher Perspektiven repräsentieren können? Werden die Beiträge dann eigentlich in alle europäischen Sprachen der Mitglieder übersetzt?

Pfeffer: Ja, die Plattform soll in alle 24 Amtssprachen übersetzen, später dann auch in weitere europäische Sprachen wie Katalanisch oder Baskisch. Die Vielfalt entsteht dabei einfach durch die Vernetzung aller seriösen Nachrichtenangebote auf einer Plattform. Die Plattform schafft sie nicht neu, sondern macht sie nur sichtbar. Das kann enorme Effekte für das wechselseitige Verständnis und das Zusammengehörigkeitsgefühl in Europa haben. Und zwar auch und gerade für die Bevölkerungsgruppen, die nicht mehrsprachlich sind.

Wer finanziert denn eigentlich das Vorhaben und wieso setzen Sie sich dafür ein?

Pfeffer: Das Council for European Public Space wird von der European Cultural Foundation in Amsterdam unterstützt, deren erster Präsident Robert Schumann war. Der Architekt der Europäischen Wirtschaftsunion hatte früh erkannt, dass Europa nur gelingen wird, wenn parallel zur Wirtschaft auch die Kultur zusammenwachen würde. Ich habe mich in den vergangenen Jahren intensiv mit Künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen auf den öffentlichen Raum und die Demokratie beschäftigt. Nach 35 Jahren Berufserfahrung im Journalismus macht mir der Niedergang der vierten Gewalt durch die anhaltende digitale Disruption sehr große Sorgen. Weltweit ist die Demokratie seit einigen Jahren auf dem Rückzug. Das hat sehr viel mit dem Wilden Westen zu tun, der seit drei Jahrzehnten im Cyberspace herrschte. Dass Europa mit Regulierung dagegen vorgeht, ist richtig und notwendig, aber nicht ausreichend. Wie werden unsere europäische Lebensweise nur schützen können, wenn wir selbst aktiv die neuen Technologien so gestalten, dass die der Demokratie dienen, anstatt sie weiter zu unterminieren.

Sie waren jahrelang Focus TV-Geschäftsführer. Inwiefern ist denn hier Ihre journalistische Erfahrung gefragt?

Pfeffer: Es schadet beim Aufbau einer Nachrichtenplattform nicht, wenn man des TV-Geschäft über viele Jahre erlebt und mitgestaltet hat. Ich hoffe dadurch auch, einige Vorbehalte bei großen Sendeanstalten besser verstehen und abbauen zu können. Denn am Ende gewinnen auch die Anbieter, weil sie ihr Publikum auf ganz Europa ausweiten können.

Welche weiteren Initiativen aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft haben Sie im Blick, und wie plant der Council, diese zu unterstützen?

Pfeffer: Es gibt zahllose Initiativen, die sich mit dem Aufbau einer europäischen Infrastruktur für Information und Kommunikation befassen, und zwar einer Infrastruktur, die dem öffentlichen Interesse dient anstatt nur dem Profit- und Machtstreben einiger weniger Big Tech-Plattformen. Wir sind stolz, eine solche Initiative mit auf den Weg gebracht zu haben und beim Aufbau einer solchen Plattform unterstützen zu können: „Display Europe“ ist ein Zusammenschluss aus 15 zivilgesellschaftlichen und unabhängigen Medien aus ganz Europa. Das Projekt wird von der EU mit 2,4 Millionen Euro gefördert. Wir haben hier in Europa ein fantastisches Potential in Forschung, Technologie, Unternehmertum und zivilgesellschaftlichem Engagement. Nur weil das Silikon Valley die größte PR macht, müssen wir unser Licht nicht unter dem Scheffel lassen. Aber wir brauchen dafür eine neue Aufbruchstimmung. Und das Verständnis und die Unterstützung der Politik. Dafür wollen wir uns einsetzen.

Welche kurz- und mittelfristigen Meilensteine hat sich der Council gesetzt, um seine längerfristige Ziele eines demokratischen und „stärker geeinten Europas“ zu erreichen, und wie sollen diese konkret umgesetzt werden?

Pfeffer: Kurzfristig: Wir wollen das Thema eines demokratischen digitalen Raumes für Europa auf die Agenda der europäischen Politik setzen. Dafür bieten die Europawahl im Juni und das neue Parlament und die neue Kommission, die danach zusammentreten, beste Chancen. Mittelfristig wollen wir mit dem Aufbau dieser Informationsinfrastruktur über die erwähnten Pilotprojekte hinaus beginnen. Das Tempo der technologischen Entwicklung ist, gerade wenn man sich Chat GPT und Co. anschaut, enorm. Nun müssen Politik und Öffentlichkeit einen Zahn zulegen, damit wir uns auch morgen noch sicher bei vertrauenswürdigen Quellen informieren und unser Leben selbstbestimmt gestalten können. Und zwar in ganz Europa. 

Interview: dh

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