Wie es um uns steht, kann man ganz praktisch tagtäglich – im wahrsten Sinne des Wortes – erfahren. Neulich in Köln etwa: Kurz links runter von der Luxemburger Straße auf den Gürtel Richtung Ehrenfeld. Rund fünf Kilometer. Viele Ampeln, alle schön nacheinander auf rot geschaltet. Stop and go. Von grüner Welle keine Spur. Doch der Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel wird einem nicht leicht gemacht. Gerade erst dachte man, das 49 Euro-Ticket sei ein voller Erfolg und belastbares Indiz für die Verkehrswende, da taucht wie aus dem nichts die Diskussion auf: alles nicht kostendeckend, viel zu wenig Personal, viel zu hohe Energiekosten. Natürlich, hätte man alles nicht vorher wissen können… Beides ist symptomatisch für die Situation hier gerade. Nichts geht voran.
Na klar, hier kommt also der Wutbürger, der laut Duden über bestimmte politische Entscheidungen Enttäuschte und Protestierende. Der per Definition eher konservative, gut situierte Bürger – Feindbild aller aufgeklärten Kosmopoliten. Freunde, wir machen es uns zu einfach. Die Welt wird immer schwerer zu durchschauen, aber wir teilen unsere Menschenbilder nach wie vor schablonenhaft in Schwarz-weiß ein. Daran glaube ich nicht mehr. Wir wollen den nachhaltigen Wandel, sind aber unzufrieden mit der Geschwindigkeit, mit der uns die Politik dabei unterstützt.
Die Film- und Fernsehbranche ist ein gutes und aktuelles Beispiel dafür: Schon 2022 haben wir, die technisch-kreativen Dienstleister der Branche den Transformationsprozess zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Produktion in Gang gesetzt. Der Arbeitskreis „Green Shooting“, ein breites Bündnis aus Sendern, Streamern, Produzenten und eben Dienstleistern, hat dazu ein (selbst)verpflichtendes Kompendium erarbeitet, nachhaltige Standards für die Produktion von audiovisuellen Inhalten festgezurrt.
Doch die Politik kommt nicht hinterher: Ihre schon einmal verschobene, jetzt für Anfang 2025 angekündigte Reform soll die deutsche Film- und TV-Industrie wettbewerbsfähig und für internationale Hochglanzproduktionen wieder attraktiv machen. Zwar hat die für die Reform zuständige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth, schon einige Eckpunkte des neuen Gesetzes vorgestellt, doch dem Vernehmen nach knirscht es jetzt zwischen Bund und Ländern.
Die spielen bei der Filmförderung aber eine Schlüsselrolle. Der Ausgang des Reformprozesses ist offen. Auch die großen Linien der Politik vermitteln den technisch-kreativen Dienstleistern keine Sicherheit. Wie geht es weiter bei der Förderung grüner Technik, die das Green Shooting erst möglich macht? Was passiert etwa bei der Umstellung von Fuhrparks nach der Vollbremsung der Bundesregierung bei der Förderung der E-Mobilität? Die Berlinale 2023 wirkte zunächst wie ein beherzter Tritt aufs Gaspedal. Doch zur Berlinale 2024 müssen wir erkennen: Wir stehen auf der Bremse. Als Branche verlieren wir international den Anschluss.
Uns fehlt nicht der Gestaltungswille, uns fehlt das politische Commitment. Wir gehen in Vorleistung, ohne einen zukunftsfähigen Rahmen dafür zu bekommen. Doch so gehen Politik wesentliche Grundwerte verloren – Berechenbarkeit im ersten und Vertrauen im zweiten Schritt. Die Folge ist eine drohende Entfremdung von Wirtschaft und Politik und – wir erleben es gerade – Gesellschaft und Politik. Das tut weh.
Das Problem: Wir ticken anders, sprechen anders, handeln anders. Von den 736 Abgeordneten im Bundestag waren 217 zuvor im öffentlichen Dienst beschäftigt, aber nur 57 in der Wirtschaft selbständig. Diese Praxisferne rächt sich – auf allen Ebenen. Uns als Branche ist der Handlungsdruck bei der Gestaltung zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bewusst. Aber wir brauchen dafür einen entsprechenden politischen Rahmen. Also: Wir müssen unbedingt reden – aber dann bitte alle auch schnell handeln.
Stefan Hoff ist Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.
Foto: syh®