Koch-Kolumne: Das Schweigen der Lämmer

In Thomas Harris Meisterwerk „Das Schweigen der Lämmer“ erzählt FBI-Studentin Clarice Starling dem Serienmörder Hannibal Lecter ihre schlimmste Kindheitserinnerung. Sie lebte als Mädchen auf dem Bauernhof ihrer Verwandten und wachte eines Nachts auf, weil die Frühlingslämmer blökten, die geschlachtet wurden. Woran erinnert Sie das? Mich erinnert es an die stillen Leiden der Printmanager.

Mit den Printmedien geht es leidend steil bergab. Es betrifft, man muss es nicht mehr ausführen, die Auflagen, die Leser, somit Vertriebserlöse und mit ihnen die Anzeigeneinnahmen. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle reichen die Digital-Nutzer und digitalen Werbeeinnahmen nicht aus, um die Printverluste auszugleichen. Ein grausamer Medien-Thriller in unendlich vielen Akten.

Und was machen derweil die Verleger, die Printmanager? Gibt es ein Gattungsmarketing? Gibt es eine gemeinsame Kampagne, die junge Mediaentscheider, die Print nicht mehr zu kennen scheinen, über die einzigartigen Vorzüge von Print und digitalen Printmarken aufklärt? Erklärt ihnen jemand, was Print entlang des Marketing Funnels (neudeutsch: Customer Journey) bei Marken- und Vertrauensaufbau kann, wozu Display und Social Media nicht ansatzweise fähig sind?

Erklärt ihnen jemand, dass es für einzigartige Situationen, in denen Menschen sich in Print vertiefen, keine digitale Entsprechung gibt? Dass nichts in der digitalen Mediawelt an die Tiefe und Qualität herankommt, die Printkontakte erzeugen? Dass hundert Jahre lang abertausende Marken von Print aufgebaut wurden und sie ohne Print in nur wenigen Jahren wieder ruiniert werden können?

Die traurige Antwort auf alle diese Fragen lautet nein.

Diese teuflische Situation beobachte ich seit nunmehr zehn Jahren. In dieser Zeit haben Printmanager viel lamentiert, aber nicht kommuniziert. Viel beklagt, aber nicht aufgeklärt, nicht geschult, nicht informiert, nicht erhellt, nicht engagiert, nicht begeistert. Gegenüber ihren wichtigsten Zielgruppen, den Mediaentscheidern auf Kunden- und Agenturseite, schwiegen sie. Wie Lämmer, die bei Sonnenaufgang geschlachtet werden. Und das blutige Schlachten hat längst begonnen. Ausgerechnet am Hamburger Baumwall.

Würden sie den Kampf aufnehmen, müssten sie die Kontrahenten definieren. Widersacher der hiesigen Printmedien sind digitale Hannibal Lecter. Sie verstecken sich hinter Gutmenschentum. Sie helfen uns im Alltag, nennen sich scheinheilig Videoportal, verbinden Menschen miteinander, schaden ihnen aber mehr als sie nützen.

Warum die Printmanager bisher geschwiegen haben, weiß man nicht. Dabei heißt es doch, man könne nicht nicht kommunizieren. Doch, Print kann das. Dabei gibt es so viel zu reden. Über eigene Qualitäten und ja, über die Schwächen der Kontrahenten. Über AdBlocker, Bots, Brand Safety und über Werbung, die niemand sieht. Dass Print Menschen aus Fleisch und Blut erreicht. Menschen, die sich für Marken begeistern lassen. Die nicht sofort abspringen, sobald jemand im Netz „neu“ schreit. Die an Loyalität Freude haben, weil es zu ihren wichtigsten Werten zählt.     

Starlings müsst ihr werden. Das Schweigen der Lämmer ignorieren. Wehrt euch gegen die Angreifer. Oder scheidet schweigend dahin.

Foto: dh