Winter kommentiert: Zugführer gesucht

Wenn ARD-Angestellte gewerkschaftlich ähnlich vorgehen würden wie es bis vor kurzem bei der GDL an der Tagesordnung war, dann würden wohl speziell die Spiele der deutschen Nationalmannschaft mit einem „Blackout“ auf den „Das Erste“ Schirmen beglückt werden. Sicher, dann gäbe es Notfallpläne und Magenta TV würde ungeahnte Höhen erklimmen, aber dann würde ganz Deutschland mitbekommen, dass Streiks immer häufiger auf der Tagesordnung der Angestellten von ARD und ZDF stehen. Denn es rasen zwei Züge aufeinander zu.

Natürlich geht es um Geld, die Angestellten wollen mehr bekommen und die Anstalten wollen weniger geben – wobei sie vielleicht mehr geben würden wenn sie denn auch mehr bekommen würden, mehr Geld von uns den Beitragszahlern. Doch die Aussichten dafür sind trüb, die Ministerpräsidenten mehrerer Bundesländer wollen den Prozess den sie einst selbst definierten nicht mehr einhalten und gegen die Empfehlung der KEF keine Beitragserhöhung zulassen. Somit würden die Einnahmen nicht gemäß der Budgetplanungen steigen, die Inflation und Preiserhöhungen im Allgemeinen bedeuten aber ein verhältnismäßiges Schrumpfen der Etats der öffentlich rechtlichen Sender.

Dabei wird der Begriff „Einsparungen“ nun gefühlt schon seit einem Jahrzehnt und länger standardmäßig bemüht wenn verkündet wird was nicht mehr produziert, bezahlt  und gesendet werden kann – das große Missverständnis besteht dabei darin, dass für den Beitragszahler die Beiträge in den letzten zehn Jahren gestiegen und nicht gesunken sind, und angesichts von zehn Milliarden Gesamteinnahmen pro Jahr fällt es dem allgemeinen Betrachter sehr schwer bis gar nicht zu begreifen welche finanziellen Probleme die ÖR eigentlich haben können.

Der Journalist Hans-Peter Siebenhaar schrieb vor zwölf Jahren sein von Intendanten wenig geliebtes Buch von den „Nimmersatten“ – ein wenig polemisch vielleicht, aber er beschrieb das Monster welches so viel Geld verschlingt und immer weniger dafür programmlich leisten kann. Dieses Monster ist bis heute von keinem noch so edlen Ritter praktisch angegangen worden, und die Ministerpräsidenten sind ein schönes und schlechtes Beispiel dafür wie man notwendige Anpassungen verschleppt und jetzt versucht auszuhebeln, nämlich den juristisch vorgegebenen Prozeß der Beitragsfindung. Damit löst man keine Probleme sondern schafft neue. Aber auch die Intendantinnen und Intendanten sind zumindest bisher keine Problemlöser geworden, sondern managen an diesen herum – sie schaffen es nicht einmal, ein ARD-Generalsekretariat abzuschaffen obwohl es in seiner heutigen Funktionsbeschreibung eigentlich keine Funktion hat. Sie schaffen es auch nicht diesem eine Funktion zu geben, und somit bleibt es als ein kleines Symbol sinnbildhaftig erhalten für die Kraftlosigkeit Reformbedarf zwar zu erkennen, aber viel mehr auch nicht.

Diese beiden Züge rasen also weiter aufeinander zu, und schon jetzt ahnt man, das es wieder im Sackbahnhof Karlsruhe enden wird – dort wird wieder entschieden werden, dass der Beitrag gemäß der Vorschriften erhöht werden muss, und dann blicken alle auf uns, die Beitragszahler – wie lange machen wir diesen Unsinn weiter mit, dass weder die einen noch die anderen reformieren wollen, und es außer zu „Einsparungen“ zu keiner weiteren Wahrheit kommen wird? Die da lautet – es geht um die bisher nicht klar ausgesprochene Erkenntnis, dass die Budgets unseres ÖR-Systems dramatisch schrumpfen müssen um die Realitäten der Beitragszahler wieder abzubilden. Es geht nicht darum, „teure“ Sportrechte im ÖR zu verbieten und stattdessen in „billigere“ fiktionale Produktionen zu stecken, es geht auch nicht darum, Unterhaltung abzuschaffen und stattdessen in Dokus und Kulturprogrammen zu investieren. Und, um schlechte Nachrichten endlich einmal auf die Tagesordnung zu setzen, die Aufwendungen für die Pensionen werden in den nächsten Jahren steigen, und nicht schrumpfen, und dabei geht es um Milliarden und nicht Millionen. Somit wird das frei verfügbare Budget mindestens bis 2030 weiter verhältnismäßig schrumpfen.

Gesucht sind also Zugführer und Zugführerinnen, welche die Kollision nicht nur verhindern sollen, sondern neue Strecken finden um dem Beitragszahler keinen Grund mehr zu geben, über die Höhe seines Beitrages zu grübeln. Das so etwas geht beweist nun seit Jahren schon der ÖR in der Schweiz. Dort wurde der Beitrag gesenkt, und dort wird er nochmals gesenkt, denn niemand will eine neue Abstimmung riskieren in der das ganze System per Volksvotum abgeschafft wird. Und soweit man hören und sehen kann, hat die SRG inhaltlich keinen Einbruch erlitten – Umbrüche ja, mit dem positiven Nebeneffekt, dass der Beitragszahler offensichtlich zufrieden ist – mit dem Beitrag und dem Inhalt. 

Wolfram Winter ist Gründer der Agentur 3Winters und arbeitete viele Jahre in Managementpositionen bei großen Medienunternehmen. Er schreibt regelmäßig für unseren Online-Dienst über aktuelle Marktentwicklungen.

Foto: Nadine Rupp