Wir notieren die Tage, wie sie im Laufe eines Jahres vorübergehen. Unseren eigenen Geburtstag und jeden anderen Tag – ausgezeichnet durch die Ereignisse, an denen wir beteiligt sind. Irgendwann aber denken wir an den einen Tag, der für jeden von uns von größter Bedeutung sein wird: an unseren Tod.
Es ist ein Tag, der heimlich und verborgen unter all den anderen Tagen des Jahres lauert. Seine Existenz ist nicht zu leugnen, indes weiß niemand, wann genau er kommt und es Zeit wird, für uns. Doch was, wenn uns dieser finale Tag am Horizont erscheint? Was macht das mit uns und mit unseren Nächsten?
Gemeint sind in diesem Falle Menschen mit schwerer Erkrankung und schlechter Prognose. Sie müssen für sich erkennen, dass ein qualitatives „Weiter“ auf Dauer nicht mehr möglich ist und sie wohl in absehbarer Zeit sterben werden. Das Schicksal hat ihnen, oftmals völlig unvorbereitet, das Heft des Handelns aus der Hand geschlagen. Zwar ist ihnen der genaue Zeitpunkt ihres vorzeitigen Endes nicht bestimmt. Den meisten bleiben vielleicht noch ein paar Monate, mit Glück ein Jahr oder auch etwas mehr. Sicher ist jedoch: Sie müssen bald gehen – und das gegen ihren Willen!
Nicht wenige entscheiden oder wünschen sich in ihrer ausweglosen Lage, dem eigenen Ende zuvorzukommen. Das kann auch für Menschen gelten, die ein Trauma erleiden – ein Ereignis, so schrecklich und erschütternd, dass sie es trotz allen Bemühens nicht mehr in ihr persönliches Sinnkonzept integrieren können. In diesen Menschen kann der Plan reifen, ihr Leben vor der Zeit zu beenden, und das nicht, weil sie gehen müssen, sondern weil sie es so wollen. „Clap“-Chefreporter Bijan Peymani hat hierzu mit vielen Betroffenen und deren Angehörigen gesprochen und ein Buch über das Abschiednehmen verfasst.
Mit seinem zweiten Werk, das ab Anfang November bestellbar ist, will Peymani nicht dem Freitod generell das Wort reden. Er möchte helfen, die Motive, vor allem jedoch die oft einsam getroffenen Entscheidungen der Sterbewilligen nachzuvollziehen. Das meint nicht, Verständnis zu entwickeln, es meint – und darum geht es –, verstehen zu lernen. Authentisch zeigt er auf, was in diesen Menschen vorgeht: ihre Ängste und ihre Zweifel, dann letztlich ihre Gewissheit und Konsequenz. Und er beschreibt, wie dies ihre Nächsten belastet und zu deren eigenem Trauma wird.
Viele mag die Hoffnung tragen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, dass mit der Zeit ein Leben mit neuer Perspektive möglich wird. Gewiss ist das nicht. Und so schmerzlich es ist, wenn Menschen bewusst gehen: Wir alle haben ein Recht auf unseren eigenen Tod.
Mehr Informationen unter bijan-peymani.de.
Text: Bijan Peymani
Foto: Verlag