Schrader: „Mich stört das hochjazzen der digitalen Medien“

Überraschender Besuch bei Clap: Sven Schrader, der langjährige Verlagsfachmann, kam zu uns ins Münchner Westend. Mitgebracht hatte er die aktuelle Ausgabe seiner sechs Mal im Jahr erscheinenden „Octane“-Zeitschrift, die gestern erschien und mittlerweile zum 50. Mal auf den Markt gekommen ist.

Über 30 Jahre lang war Schrader im Printgeschäft dabei: bei Bauer, bei Attic Futura, bei Condé Nast. Seit einigen Jahren hat er sich von den großen Verlagen entfernt und macht mit „Octane“ sein eigenes Ding. Seine Premium Media Verlag ist keine große Company. Die wichtigsten Dinge regelt er von seinem Home Office aus. In dieser Zeit ein Automagazin zu machen sei alles andere als trivial, sagt Schrader, der sich gerne „mit offenem Visier“ durch die Branche bewegt. Klar gab es einiges zu besprechen bei seinem Westend-Besuch.

Schön, dass Sie spontan in unsere Redaktion ins Münchner Westend gefunden haben. Woher kommen Sie gerade?

Schrader: Direkt aus dem Büro, nachdem ich gerade den Artikel im Clap-Club gelesen habe, dass das Magazin „Max“ wieder von der Ursprungscrew belebt wird. Die Nachricht hat mich sehr gefreut und darauf gebracht, kurz vorbeizukommen und auf unser beider Jubiläum hinzuweisen.

Toller Zufall: Sie feiern in dieser Woche die 50. Ausgabe „Octane“, morgen kommt die 75. Ausgabe vom Clap-Magazin. Wie stolz sind Sie, dass sie das Heft so lange führen konnten?

Schrader: Na, da nehme ich doch an, dass wir beide genau die gleichen Gefühle für unser Kind hegen. Da ist der Stolz auf den Mut, es gegründet zu haben, die Achtsamkeit, es Jahre lang behutsam durch teilweise stürmische See geführt zu haben, und die Freude über den Erfolg.

Schrader: Und manchmal ärgert man sich auch über den Nachwuchs aber das verraucht ja schnell wieder…

Vielen Frauenzeitschriften ist es im Corona-Jahr nicht so gut ergangen. Besonders die Modetitel haben große Schwierigkeiten. Wie erging es denn so einem Männerautomagazin wie „Octane“? 

Schrader: Wir haben den Dip natürlich auch gemerkt. Besonders im April, als niemand wusste, was jetzt los ist und wie lange das dauert. Aber dann sind die Geschäfte in der Autoklassik Szene erstaunlich schnell wieder angezogen und im Fahrwasser dieses Anstiegs hat sich unsere Anzeigengeschäft schnell wieder erholt und die Jubiläumsausgabe liegt aktuell über dem Vorjahresniveau. Das ist ein gutes Zeichen für 2021. Die Auflage hat sich in Corona Zeiten gehalten, wenn auch unser wichtiger Vertriebskanal Bahnhofsbuchhandel durch den eingeschränkten Flug- und Bahnverkehr gelitten hat. Aber das konnten wir weitgehend auffangen durch gute Online-Verkäufe und verstärktes Abonnementgeschäft.

Glauben Sie eigentlich an 100 Ausgaben „Octane“, oder sind die Verbrennermotoren bis dahin Geschichte?

Schrader: Ja unbedingt das erste! Das sind ja nur noch acht Jahre und bis dahin wird der Verbrennungsmotor immer noch die Mobilität im aktuellen Automobilgeschäft dominieren. Und falls doch nicht: wir berichten ja immer mit einem Time Lag von rund 30 Jahren über unseren Berichtsgegenstand „Autoklassiker & Sportwagen“. Dementsprechend würde sich die aktuelle Neuorientierung der Autoindustrie beim Octane-Magazin ja erst 2050 inhaltlich niederschlagen. Das müssen dann meine Nachfolger handeln…

Warum haben Sie sich überhaupt so rar gemacht. Ihr letzter Besuch bei Clap liegt 9 Jahre zurück! Wie kommt das?

Schrader: Keine Absicht. Aber erstens bediene ich seit 8 Jahren mit dem OCTANE Magazin die Nische „Premium“ in der Nische „Autoklassikmagazine“. Da habe ich es mit sehr finanzstarken Sammlern zu tun, die sehr scheu sind. Das färbt etwas aufs eigene Verhalten ab und erleichtert gleichzeitig den Umgang. Zum zweiten hat mich das hochjazzen der digitalen Medien und das runterschreiben der Print-Industrie in den Fachmedien in den letzten 10 Jahren sehr gestört. Das passiert übrigens mit der Autoindustrie gerade ganz genauso. Da war das Initialerlebnis mit dem Max-Artikel letzte Woche hier bei Clap ein angenehmer kleiner Zwischenruf, um darauf hinzuweisen, dass die Industrie immer noch lebt und ich auch.

Sie haben eine lange Verlagskarriere hinter sich. Schauen Sie noch manchmal, was Condé Nast so macht oder die Bauer Media Group? Oder interessiert Sie das nicht mehr?

Schrader: Doch auf jeden Fall. Als ich 1987 meine Ausbildung zum Verlagskaufmann abgeschlossen habe, prophezeite man mir bei der Überreichung des Kaufmannsbriefes, dass „Print ja jetzt tot ist, weil nun mit Sat 1 der erste Privatfernsehsender startet…“. Und dann durfte ich bei den beiden genannten Verlagen plus dem EMAP/ Attic Futura Verlag und dem Burda Verlag 23 Jahre lang Karriere machen und habe wunderbare Menschen als Kollegen, Kunden und Konkurrenten kennengelernt. Wir haben zusammen großartige Magazine gemacht, das Geschäft an die Bedingungen angepasst, manchmal verloren aber oft auch gut gefeiert. Natürlich bin ich diesen Menschen und den Unternehmen in unterschiedlicher Weise noch verbunden, da ändern die letzte zehn Jahre, die ich jetzt mit dem Premium Media Verlag unterwegs bin, nichts. Und gerade die Entwicklung der beiden Verlage, die Sie in Ihrer Frage nennen, hätte wohl vor 23 Jahren, ja sogar noch vor fünf Jahren jeder andersherum vorhergesagt.  Soviel zu Prophezeiungen…

Sie sind Vater von einer Tochter und einem Sohn. Werden die auch ins Verlagsgeschäft einsteigen?

Schrader: Tatsächlich konnte ich den direkten Einstieg ins Verlagsgeschäft bisher erfolgreich verhindern aber nicht den Einstieg in die Medienbranche. Meine Tochter arbeitet bei der Ströer AG und mein Sohn studiert neben seiner Tätigkeit bei der Daimler AG „Marketing und digitale Medien“ . Da bekommt die Industrie also noch einiges an Spirit aus der Familie in den nächsten 40 Jahren.

Foto + Interview: Daniel Häuser