The Hoff: Streamingdienste – (k)eine Freundschaft fürs Leben

Wenn wir uns in einigen Jahren fragen, was wir zwischen 2020 und 202? gemacht haben, werden wir uns wohl kollektiv an sie erinnern. Treue Freunde, die unser Leben vereinnahmten. Verlässlich ließen sie uns in der Abgeschiedenheit der eigenen vier Wände das Träumen von Abenteuern oder das Durchleben komplexer Gefühlswelten nicht verlernen.

Leicht berauscht von dieser so unkomplizierten und vielfältigen Beziehung, wollte man schnell mehr. Mehr von diesen fürsorglichen Kumpanen und so erweiterte sich der Freundeskreis generös, bis sie alle zu unserer persönlichen Clique zählten: Sky, Amazon Prime, Netflix, RTL+, Joyn, DAZN, Disney+, Apple+… ganz abgesehen von der durch die neue, schillernde Konkurrenz vielleicht etwas eingeschlafenen Freundschaft, die bereits in Kindertagen im Sandkasten begann. Die Verbindung zu den linearen Programmen, die teilweise stets in Begleitung der GEZ erscheinen.

Und dann entdeckte man eines Tages, dass auch diese Freunde irgendwo einen Haken haben und auf Dauer das glückliche Miteinander vielleicht doch nicht so gut funktioniert. Im wahrsten Sinne gegeneinander ausgespielt, fühlte man sich von ihnen. Gekränkt, ob mancher Dreistigkeit, mit der die Beziehung vom Gegenüber plötzlich auf eine harte Probe gestellt wurde. Erst Schmusekurs, dann abkassieren. Wie heißt es so schön: Beim Geld hört die Freundschaft auf!

Sie wissen, worauf ich hinaus will. Es gab bereits viele äußerst treffende und kritische Beiträge zu den für die Nutzenden nur bedingt nachvollziehbaren Preiserhöhungen mancher Streaming-Dienste. Zum Brechen von Versprechungen, insbesondere die Zersplitterung und Überteuerung der Sportübertragung geriet in den vergangenen Tagen in den Fokus und zog den Umut unzähliger Fans, bestehender Anhänger und solchen, die es so möglicherweise niemals werden können, auf sich. Die Kostenexplosion als Beziehungskiller begleitet von der Frage, vor der sich jeder Streaming-Dienst fürchtet: Ist ein jedes dieser Abos für mich noch so wichtig, wie es vor ein paar Monaten schien? Auf ein Ende der Pandemie hoffend, ist ein Stadionbesuch demnächst nicht viel verlockender als ein weiterer Spieltag auf der Couch?

Ich kenne die Preispolitik, die Gesetze des Rechtehandels. Ich bin mir mehr als bewusst, welche personellen und technische Kosten für hochwertige Produktionen anfallen. Welche Budgets zur Verfügung stehen und wie Studios, Sender, Produzenten und Dienstleister an allen Ecken und Enden ums Überleben, gerade im Angesicht der internationalen Konkurrenz, kämpfen.

Doch wenn die Pandemie uns eines gelehrt haben sollte, dann hätte es vielleicht ein wenig Demut sein sollen. Demut, vor dem was man hat und wie man leben darf. Ein bisschen mehr Bescheidenheit. Sicherlich muss Rentabilität gewährleistet sein. In der Sportberichterstattung, beim Entertainment wie auch bei fiktionalen Stoffen. Niemand hat etwas zu verschenken und möchte mehr als kostendeckend wirtschaften.

Doch der „Corona-Kater“ wird kommen und alle Beteiligten treffen. Wenn sich das Leben wieder mehr vor der eigenen Haustür abspielt, wenn Konzerte, Live-Sport, Kino oder andere kulturelle Veranstaltungen als Freizeitbeschäftigung wieder eine unbeschwerte Alternative zum Bewegtbild-Konsum sind. Dann wird sich zeigen, welcher Freund bleibt und wer doch nur als flüchtige Begegnung in Vergessenheit gerät.

Wertschätzung ist keine Einbahnstraße – weder im privaten Umfeld noch in Geschäftsbeziehungen – und Wertschätzung macht auch vor dem Portemonnaie der Kunden keinen Halt. Abgerechnet wird zum Schluss, ein ehrlicher Blick auf die Entwicklung der Abo-Zahlen bei DAZN ist nach der angekündigten deftigen Preiserhöhung nicht nur für den enttäuschten Kunden interessant, sondern auch und vor allem für die lokale Streaming-Konkurrenz wegweisender Aufschluss. Ist hinsichtlich der Preispolitik ein Domino-Effekt zu erwarten oder geht DAZN nun als warnendes Beispiel voran? Langfristig bleiben als unentbehrliche Gäste im Wohnzimmer sicherlich nur die Programme gerne gesehen, die beides können: Emotional begeistern, ohne beim Preis zu entgeistern.

Stefan Hoff ist Geschäftsführer des technischen Dienstleisters EMG Germany und Vorstandsvorsitzender des TV-Verbands VTFF. Er schreibt regelmäßig für Clap.

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