Zum Talk im neuen und sehr medienaffinen Famtain Member Club, von Gastgeber Murat Mermer (oben links im Foto), kam in dieser Woche Medienexperte Helmut Markwort. Markwort wäre nicht Markwort, wenn er beim Gespräch mit der Clap-Chefredaktion nicht ein paar Neuigkeiten im Gepäck gehabt hätte. So wird der FDP-Politiker am 7. November im bayerischen Landtag einen Gesetzesentwurf zur Reform der öffentlich-rechtlichen Sender vorstellen. Einzelheiten lesen Sie hier im großen Interview. Aber auch, wie Markwort das aktuelle Mediengeschehen einschätzt.
Wenn man an den „Focus“ denkt, dann denken viele immer noch an ihren Spruch: “Fakten, Fakten, Fakten. Und immer an die Leser denken.” Hätten Sie geglaubt, dass dieser Slogan so nachhaltig wirkt?
Markwort: Das ist tatsächlich ein Klassiker geworden. Manchmal rufen mir das die Leute auf der Straße nach: Fakten! Fakten! Fakten! Wobei ich auch auf den zweiten Teil Wert lege: Und an die Leser denken! Das ist ja insofern eine wichtige Sache, weil ich beobachte, dass wir Journalisten sehr dazu neigen, im eigenen Saft zu schmoren, in der eigenen Clique. Journalisten begegnen sich immer in Pressekonferenzen, auf der Pressetribüne, auf Sonderparkplätzen, auf Sonderreisen.
Und deswegen wird nicht an die Leser gedacht, sondern an andere Kollegen?
Markwort: Ja, es steht oft zuerst die Frage im Raum: Wie komme ich bei den Kollegen an? Und es ist eine große Anstrengung der Selbstdisziplin, vor allem an den Leser zu denken. Das habe ich mir immer eingehämmert, und das war ein ganz wichtiger Punkt, auch wenn die Journalisten-Clique das manchmal anders gesehen hat. Aber tatsächlich ist es heute ein Klassiker. So wie Sie den Spruch im Zusammenhang mit mir erwähnt haben, so geht es mir oft. Fakten, Fakten, Fakten verbindet man mit dem Focus und damit mit mir. Und ich habe ja auch meinen Wahlkampf geführt unter dem Stichwort „Fakten in den Landtag“. Weil wir heute ja statt Fakten viel Fake News, individuelle Meinungen und Verzerrungen lesen. Die einfache, klare Nachricht in einer für jedermann verständlichen Sprache ist eine Rarität.
Erinnern Sie sich denn noch, bei welcher Gelegenheit Ihnen dieser Fakten-Spruch in den Sinn gekommen ist? Gab es da ein bestimmtes Ereignis oder eine Redaktionssitzung? Oder wie ist das zustande gekommen?
Markwort: Ja, das war ein klassisches Brainstorming. Mein Kollege Uli Baur und ich und noch zwei Redakteure saßen zusammen mit einer Werbeagentur, und wir haben überlegt, wie wir dieses von niemandem erwartete, noch nicht lebendige, schon im fötalen Zustand totgesagte Magazin näher an die Leser bringen können. Wir hatten ganz viele Sprüche, ganz viele Widersprüche. Und die haben wir probiert. Und Fakten, Fakten, Fakten hat sich durchgesetzt. Es ist heute nicht mehr urheberrechtlich zu klären, wer ihn wirklich erfunden hat. Aber es war eine Gemeinschaftsproduktion, so ein schönes Beispiel von Brainstorming, wie eine Gruppe zusammensitzt und spinnt, und dann kommt etwas raus.
Sie waren fast 17 Jahre lang Chefredakteur von Focus und haben da mehr als 800 Titel-Cover verantwortet. Auf welchen dieser Titel sind Sie im Nachhinein immer noch besonders stolz oder welcher ist Ihnen noch am stärksten in Erinnerung geblieben?
Markwort: Also da fällt mir jetzt keiner ein. Das ist ja jede Woche ein Riesendrama gewesen. Welcher Titel? Was kommt an? Und da gibt es keine Zauberformel. Was wir aber mühsam durchgesetzt haben waren die Ärztelisten – die besten Ärzte. Das habe ich mir in den Kopf gesetzt, weil wir als Hypochonder immer wissen wollen, zu welchem Arzt wir am besten mit welcher Krankheit gehen. Also haben wir diese Ärzteliste entwickelt für den Titel. Das war ein Riesenrenner, aber auch ein Modell, für das wir jahrelang gekämpft haben bis zum Bundesverfassungsgericht, weil die Ärztekammern ein Problem damit hatten. Insgesamt aber muss ich sagen: Nutzwert-Titel sind gut gegangen, politische Titel sind schlecht gegangen. Wir hatten mal eine ganz tolle Geschichte über Gregor Gysi, da war ich stolz drauf. Die hat sich aber miserabel verkauft, katastrophal. Die Leute wollen ihn einfach nicht auf dem Kaffeetisch haben.
Was vielleicht viele nicht wissen: Sie waren natürlich nicht nur bei Burda, sondern von 1964 bis 1966 beim Stern und dort Leiter der Düsseldorfer Redaktion. Sie kennen also Gruner + Jahr ganz gut. Aus dem Grund wissen Sie eventuell auch, was bei diesem Medienunternehmen so in den letzten Wochen und Monaten los ist. Eventuell verfolgen Sie insbesondere deswegen auch den Stern, der ja gerade sehr stürmische Zeiten in Hamburg erlebt. RTL Deutschland gibt dort jetzt den Ton an, zusammen mit Bertelsmann-Chef Thomas Rabe. Aber glauben Sie denn, wie Herr Rabe offensichtlich, dass eine stärkere Verzahnung von RTL Deutschland mit den Printmagazinen wirklich den gewünschten Erfolg bringen kann? Welche Meinung haben Sie dazu?
Markwort: Grundsätzlich ist natürlich der Niedergang des „Stern“ zu beklagen, nicht nur der Rückgang in der Auflage ist dramatisch. Alle Auflagen der Printmedien gehen kontinuierlich zurück. Aber die Eingliederung von Gruner und Jahr nach Gütersloh-Bertelsmann ist ein Albtraum für alle, die früher dort gearbeitet haben. Bertelsmann war ja schon immer beteiligt. Der Hochmut der Hamburger von Gruner + Jahr ging immer in die Richtung: Wir sind die Elite, wir sind die Besten. Und was haben wir mit diesen Controllern in Gütersloh zu schaffen? Inzwischen ist die Entwicklung dramatisch. Alle, die ganzen Topmanager, die sich damals aus Hamburg von Gruner + Jahr selbstbewusst gegen die Vorherrschaft aus Gütersloh gewehrt haben, sind gefeuert, gestorben oder untergegangen. Und jetzt sind sie dabei, auch die letzten Zeitschriften einzuebnen. Und eine Frauenzeitschrift wie „Brigitte“ wird vielleicht sogar verkauft. Da gibt es die tollsten Gerüchte. Kurzum: der Niedergang des einst stolzen, hochnäsigen, großartigen und dominierenden Verlags Gruner + Jahr ist ein Jammer für die deutsche Presselandschaft.
Letztens wurde ja sogar die Gruner und Jahr Flagge vom Gebäude am Bauwall in Hamburg geholt. Haben Sie das verfolgt? Was haben Sie da gedacht?
Markwort: Ja, das war natürlich ein äußerlich für jedermann sichtbares Symbol des Niedergangs. Ich habe Gerd Bucerius noch kennengelernt in meinen jungen Jahren. (Anmerkung der Redaktion: Am 1. Juli 1965 gründete Markwort gemeinsam mit Richard Gruner und John Jahr senior die Gruner + Jahr GmbH, den damals zweitgrößten deutschen Pressekonzern. Am 1. Januar 1973 übertrug er seine Anteile an Gruner + Jahr der neu gegründeten Bertelsmann AG und wurde zeitweilig deren Aufsichtsratsvorsitzender). Das war ein großartiger Verleger. Ich erinnere mich noch, als ich mal einen Streit hatte als Chefredakteur beim Gong mit ihm als Verlags-Geschäftsführer. Der hat sich über irgendetwas furchtbar aufgeregt und wir landeten dann im Büro von John Jahr. Jahr, der legendäre Verleger. Wir haben wir unser beider Positionen vorgetragen und da kam es zu einer Szene, die ich nie vergesse. John Jahr ging mit uns beiden ans Fenster, hoch oben im Büro mit Blick über Hamburg und er sagte zu dem Verlags-Menschen: gucken Sie mal da runter, da unten laufen massenweise so Leute rum wie Sie, aber Chefredakteure gibt es ganz wenige.
Die „Brigitte“ hatten Sie ja auch gerade schon erwähnt. Was mir als Medienjournalist aufgefallen ist im Lauf der Jahre: Sie haben sich immer wahnsinnig stark für die Journalisten eingesetzt. Bei Gruner + Jahr und auch anderswo scheinen die Journalisten allerdings kein großes Standing mehr zu haben. Oder ist meine Wahrnehmung da falsch?
Markwort: Der berühmte Österreicher Helmut Thoma, der RTL erfunden hat, hat mal gesagt: Auf jeden Fall sitzt immer ein Controller da. Das sind natürlich Zahlen-orientierte Leute, die sagen: Halten Sie Ihren Businessplan ein! Aber Leute wie Rudolf Augstein oder Henri Nannen oder auch ein paar Chefredakteure, das waren Stars. Die interessierten sich nicht für Controlling. Ein Johannes Gross – der Chefredakteur von „Capital“ zum Beispiel. Der war so arrogant. Das war ein großer Spaß. Der hat horrende Rechnungen eingereicht und als Anlass geschrieben: Selbstgespräch.
Undenkbar heute.
Markwort: Es waren goldene Zeiten. Und ich habe sie miterlebt mit Nannen. Auch deswegen tut es mir auch heute so leid, wie Nannen verunglimpft wird. Siehe der Henri Nannen Preis. Er wird jetzt umbenannt in „Stern“ Preis. Was? „Stern“-Preis? Der „Spiegel“ ist qualitativ journalistisch viel besser als der „Stern“ und der „Stern“ im Untergehen wie ein Skorpion, der zum letzten Mal sticht.
Wo Sie jetzt gerade den „Spiegel“ angesprochen haben. Ich erinnere mich in frühen Jahren, da gab es nicht nur einen Konkurrenzkampf bezüglich der Geschichten. Es gab auch einen sportlichen Wettkampf, etwa beim alljährlichen Fußballspiel „Team Spiegel“ gegen „Team Focus“.
Markwort: Wir hatten mit dem „Spiegel“ immer ein sehr sportliches Verhältnis. Und im Fußball haben wir öfter gewonnen. Ich erinnere mich daran, wie der „Spiegel“ auf verschiedenen Ebenen versucht hat, „Focus“ zu verhindern. Der Chefredakteur kam, Wolfgang Kaden hieß er, den kannte ich gut über eine persönliche Beziehung (und über eine Frauengeschichte, die ich mit ins Grab nehme). Wir hatten uns mal hier in München im Hotel getroffen. Als die Rede davon war, dass wir ein Nachrichtenmagazin machen würden, hat er eine Stunde auf mich eingeredet. „Sie blamieren sich, Sie verlieren ihren Ruf. Der Verleger verliert sein Geld. Wir machen Euch mit unserem großen Apparat nieder. Machen Sie das nicht. Verschwenden Sie nicht das Erbe Ihres Vaters. Bleiben Sie bei Burda Moden. Später waren wir, Hubert Burda und ich, mit Augstein in einem Lokal zum Biertrinken. Der Kellner hat ohne irgendwelche Signale immer neue Biere gebracht. Er (Augstein) trank wahnsinnig viel. Hubert Burda duzte sich mit Augstein. Die beiden kannten sich aus St. Moritz. Und auch Augstein hat zu Hubert Burda gesagt: „Hör auf mit dem Quatsch“. Augstein sagte aber auch zu ihm: Wenn du dann pleite bist, weil das Projekt „Focus“ nicht funktioniert, kriegst du immer ne warme Suppe bei mir. Wir haben uns aber nicht irritieren lassen und haben den „Focus“ durchgesetzt, in den Markt gebracht.
Das Print-Geschäft ist nicht einfacher geworden. Die Vertriebskosten schnellen in die Höhe und die Inflation tut ihr übriges. Dazu kommen noch die sogenannten Transformationsprozesse. Sie sind ein erfahrener, erfolgreicher Medienunternehmer. Würden Sie heutzutage jemandem raten, in das Zeitschriftenbusiness oder Zeitungsgeschäft einzusteigen?
Markwort: Ich würde heute sagen: Neugründungen nur noch Online oder Radio. Ich habe ja auch ein paar Radios gegründet. Das ist wieder eine andere Sache. Aber Print, bedrucktes Papier, ist eine schrumpfende Gattung. Ich hoffe nicht, dass es eine sterbende Gattung ist. Bei den Medientagen vor ein paar Jahren hier in München ist mal ein Guru aufgetreten. Der hat gesagt: Die letzte Ausgabe der „New York Times“ werden wir in ein paar Jahren im Museum unter Glas sehen. Ich hoffe nicht, dass er recht hat. Nur auf dem Land sind die Printauflagen derzeit noch stabil.
Also von Ihnen gibt es kein neues Printengagement mehr.
Markwort: Nein. Kein Geld, keine Investitionen.
Aber eigentlich interessieren sie sich ja momentan auch gar nicht so sehr für das Zeitschriften Geschäft. Neben der Politik sind es eher die öffentlich-rechtlichen Sender. Sie sind medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und haben angekündigt, Anfang November ein Gesetz zur Reform des Bayerischen Rundfunks einbringen zu wollen. Können Sie schon verraten, welche Reformideen das sein werden?
Markwort: Also Ihre Frage ist hochaktuell. Bei der Fraktionssitzung der FDP im Bayerischen Landtag habe ich in dieser Woche meinen Gesetzentwurf vorgestellt. Und am 7. November werden wir diesen dann im Plenum vorstellen, im Landtag. Natürlich werden die CSU und die Freien Wähler den Antrag mit ihrer Mehrheit ablehnen, wie das üblich ist. Aber wir bringen immerhin eine Menge Punkte auf die Tagesordnung. Meine zwei Reformprojekte sind: erstens, der öffentliche Rundfunk ist viel zu teuer. Und zweitens: er ist viel zu links. Er ist einseitig. Das Teure lässt sich messen. 8,4 Milliarden Euro haben ARD und ZDF für ihre Programme. Das ist Weltspitze, das Doppelte von BBC und mehr als die staatlichen Sender von Frankreich und allen anderen. Eine gigantische Summe. Was ich beklage ist, dass nur ein Teil, vielleicht 45 Prozent davon, ins Programm fließt. Meine Reformvorschläge gehen dahin, Kompetenzzentren zu schaffen. Klein anfangen. Ich werde vorschlagen, dass man den Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen abschafft als selbständige Unternehmen mit ihrem ganzen Verwaltungsapparat. Die tragen so gut wie nichts zum Programm bei und werden trotzdem bezuschusst. Der Bayerische Rundfunk, der WDR, die großen Sender schießen denen jahrelang Millionen zu, damit sie sich am Leben halten. Also mein Vorschlag ist, den Saarländischen Rundfunk beim Südwestrundfunk zu integrieren und Radio Bremen beim NDR. Ich will nicht auf diesen Saarländern und Bremern rumhacken, sondern will damit sagen, dass es ungerecht ist gegenüber den anderen Ländern. Wir haben Länder wie Sachsen oder Thüringen oder Schleswig-Holstein, die auch alle keine eigenen Sender haben. Wir haben mehrere Mehr-Länder-Anstalten. Im Norddeutschen Rundfunk vereinigen sich Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Und nach der Wiedervereinigung war man so klug, dass man kein Radio Sachsen, kein Radio Thüringen, kein Radio Sachsen-Anhalt gegründet hat, sondern den Mitteldeutschen Rundfunk. Also eine Drei-Länder-Anstalt. Trotzdem ist es so, dass innerhalb dieser Sender viele Strukturen vierfach, fünffach da sind. Ich will nichts am Programm verändern. Aber ich bin für mehr Programm und weniger Verwaltung. Wobei ich unter Verwaltung auch subsumiere die Produktion und die Technik. Alle diese großen Sender haben riesige Technik-Abteilungen, Verwaltungs-Abteilungen, Pensionskassen, die alle vor sich hinarbeiten. Und mein Wunsch ist es, mein Vorschlag, dass die in Zentren zusammengefasst werden. Es muss nicht jeder alles selber machen. Wir können das zusammenfassen. Es ist aber sehr schwer, das durchzusetzen, weil die Landesfürsten in ihren Sendern natürlich da nichts abgeben wollen.
Befürworten Sie auch eine Reform der Aufsichtsgremien und Rundfunkräte?
Markwort: Das ist ein weiterer Punkt eine Reform der Aufsichtsgremien und der Rundfunkräte. Dieser Punkt macht mir viele Feinde. Ich bin einem Shitstorm von Rundfunkräten ausgesetzt. Als Nestbeschmutzer gelte ich, wenn ich sage: Von den 50 Rundfunkräten des Bayerischen Rundfunks sind viele überholt. Die Zusammensetzung passt nicht in unsere Zeit. In den sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen, die in den Rundfunkrat als Aufsichtsperson berufen sind – in dem sie ohnehin kaum Aufsicht ausüben können, aber hinein gewählt wurden – sind beispielsweise die Kirchen noch sehr stark vertreten. Ich würde die Kirchen-Sitze halbieren, dafür andere Gruppen reinholen. Heute ist es so, dass in Bayern die Hälfte der Bevölkerung keiner Kirche mehr angehört in diesem einst so katholischen Staat. Aber in den Sendern sind wir lange Jahre diesem merkwürdigen Prälat als Vorsitzenden ausgesetzt gewesen. Und so greife ich mit meinen Vorschlägen in die Rundfunkrat-Besetzung ein. Ich bin dafür, dass die Gottlosen auch einen Sitz haben. Der Weiße Ring oder der Bund der Steuerzahler muss da unbedingt rein. Es wird so viel Geld verschwendet.
Sie spielen auf die Geschichte beim RBB mit Patricia Schlesinger an?
Markwort: Die ganze Geschichte ist ja sensationell. Und das hat Gott sei Dank die Aufmerksamkeit auf die Verschwendungssucht der Sender gerichtet. So kommt zu wenig ins Programm. Ich habe nun mit großer Freude gehört, dass die hiesige Intendantin (Katja Wildermuth, Anm.d.Red.) auch das Wort „Kompetenzzentren“ in den Mund genommen hat. Zum Beispiel sind die Altlasten ein großes Problem aller öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wer bei der Gründung von NDR und WDR das Glück hatte, dabei zu sein, kriegt nahezu die schönste Altersversorgung, die es in Deutschland gibt. Das bauen sie jetzt langsam ab. Aber jeder dieser ARD Sender hat eine eigene Verwaltung für die Pensionen. Das könnte man doch zentral bei einem Sender anlegen, wie Frau Wildermuth gesagt hat. Aber ich bin natürlich sicher, dass mein Reformgesetz, was ich morgen vorschlage, den Zorn vieler hervorrufen wird. Ich bin auch dagegen, dass weiterhin ein Vertreter der bayerischen Staatsregierung im Rundfunk sitzt. Und ich bin dagegen, dass die Staatsregierung in regelmäßigen Abständen die Zusammensetzung und Relevanz des Rundfunkrates kontrolliert. Mit 8,4 Milliarden das teuerste System der Welt. Kann man sich das alles leisten?
Ich als Medien-Beobachter stelle aber immer wieder fest, dass es ja schon eine Reihe von Skandalen und Skandälchen bei den öffentlich-rechtlichen gegeben hat in der Vergangenheit. Aber nach einer gewissen Zeit hatte ich dann immer wieder bemerkt, dass alles wieder abprallte oder in Vergessenheit geriet. Und auch das öffentliche Interesse nach dem Fall Patricia Schlesinger scheint so ein bisschen abzuflachen. Glauben Sie denn, dass jetzt wirklich was passiert ist? Ist jetzt die Zeit reif dafür? Es ist jetzt so ein Momentum da?
Markwort: Ich bin nicht beständig so optimistisch, weil die Widerstandskräfte so enorm sind. Natürlich werden die sich wehren. Sie werden im Saarland oder im Land Bremen keinen Politiker finden, der sagen wird: Wir brauchen hier unseren Sender nicht. Die würden ja nicht wiedergewählt, würden sich ja selber umbringen. Und alle Landespolitiker sind sehr zufrieden mit der Lage, wie sie ist. Unser Markus Söder hat natürlich im Bayerischen Rundfunk eigene Kamerateams und er braucht nur zu schnippen und schon kommt ein Team vom Bayerischen Rundfunk und filmt, das ist sehr komfortabel. Das sind Widerstandsnester, die schwer zu überwinden sind. Ich habe schon vor 48 Jahren – ich habe es nachgeguckt in der Zeitschrift Gong – gefordert, Radio Bremen abzuschaffen. Der Gerd von Paczensky, der damals Chefredakteur war, hat mir deshalb den Handschlag verweigert. Den gibt es übrigens immer noch. Wissen Sie, wo Radio Bremen herkommt? Das ist ein Blinddarm aus der Besatzungszeit. Die Älteren unter uns können sich noch erinnern, dass wir Besatzungszonen hatten. Radio Bremen wurde also eigentlich für die amerikanischen GIs geschaffen. Der Widerstand gegen die Reformen ist gewaltig. Übrigens auch in den Rundfunkräten im Bayerischen Rundfunk. Ich bin deshalb gerade einem Shitstorm ausgesetzt.
Aber vielleicht ist einiges keine Frage der Ideologie. Denn manchmal scheint es doch schwierig zu sein, sich über eine Mehrheitsmeinung hinwegzusetzen. Und offensichtlich fehlt es ja hier und da ein bisschen an Courage. Sich vielleicht eben auch für die Atomkraft einzusetzen.
Markwort: Wer will schon in der Kantine beim Westdeutschen Rundfunk alleine am Tisch sitzen, wenn alle anderen links sind? Ich gucke natürlich gern den Presseclub. Wo ja Journalisten unterschiedlicher Meinung zusammensitzen. Ich schaue ihn auf Phoenix. Dort dauert er 15 Minuten länger, damit Zuschauer noch Fragen, stellen können. Die werden dann in die Sendung durchgestellt, echte Zuschauer. Und da gab es ein bemerkenswertes Ereignis. Ich kann mich genau erinnern. Der Jörg Schönenborn war der Moderator. Bei den Zuschauerfragen heißt es dann immer: Herr Pumpernickel aus Magdeburg, was meinen Sie denn? Und so werden die Hörer gefragt und da ist ein Hörer durchgekommen und hat gesagt Ich bin heute das erste Mal durchgekommen, weil ich euch belogen habe. Es wird vorher gefiltert, wer da durchgestellt wird. Dann sagt der Mann also “Ich habe schon zehnmal bei euch angerufen, zehn Sonntage, bin nie durchgekommen, weil ich immer eine konträre Meinung zum Hausherrn vertreten habe. Heute habe ich mal gelogen und das Gegenteil gesagt. Und schwupp bin ich in der Sendung. Das war live zu hören. Der Moderator Schönenborn war natürlich perplex.
Sie sind ja mit Ihrer Firma Medienpool an rund 30 privaten Rundfunksendern beteiligt. Und da ist Radio Gong und Antenne Bayern dabei, wie man weiß. Wie geht es eigentlich in diesen schwierigen Medienzeiten Ihrer Firma Medienpool?
Markwort: Gut. Diese Gründung war die Sternstunde meines Lebens. Kapitalistisch gesehen, ja. Mit dieser Firma habe ich bei 30 Sendern kleinere und größere Beteiligungen.
Hatten sie jetzt in diesen Zeiten mal die Idee, sich von der einen oder anderen Beteiligung auch zu trennen in den letzten Jahren?
Markwort: Nein, ich habe immer dazugekauft. In der Corona-Krise haben es die Lokalradios schwer. Radio Gong zum Beispiel ist ein wunderbarer Sender, der erste durchgehend hörbare private Radiosender in Deutschland gewesen, hat aber in dieser Zeit zu wenig Werbeeinnahmen. Es gibt keine Events, keine Ereignisse. Also die kämpfen schwer, existieren aber weiter, genau wie unsere Wettbewerber Charivari und Arabella. Die Einnahmen sind zurückgegangen, aber es ist immer noch profitabel.
War das eigentlich eine leichte Entscheidung für Sie, wieder für den Bayerischen Landtag zu kandidieren?
Markwort: Ich hätte so gerne aufgehört. Ich hätte meine Geschäfte machen können und Theater spielen können. Ich habe ja immer Theater-Spielerei als Hobby betrieben. Aber die Lage der FDP ist nicht so, dass ich es mir erlauben konnte. Wenn die FDP in Umfragen bei acht oder 10 Prozent wäre und ich wäre sicher, dass meine tüchtigen Fraktionskollegen mit Sicherheit wieder in den Landtag ziehen und ihre Arbeit fortsetzen können, wäre das etwas anderes. Jetzt ist es aber so knapp. Sie wissen ja, da gibt es ja Umfragen, da sind wir bei drei Prozent oder bei sechs Prozent. Also ich bin sicher, dass wir nächstes Jahr um diese Zeit, dann wird die Wahl sein, wieder um die Existenz kämpfen müssen, um die fünf Prozent. Und ich habe natürlich versprochen, dass ich einen fulminanten Wahlkampf mache.
Geben Sie Christian Lindner als Medienexperte eigentlich manchmal Tipps was er besser machen könnte? Oder haben Sie zu Herrn Lindner selten Kontakt?
Markwort: Also der hat ja immer gute Medienpräsenz. Ich kenne ihn gut. Wir haben viele Veranstaltungen zusammen gemacht und ich habe ihm kürzlich in einer Schaltkonferenz mal Ratschläge gegeben.
Gibt es denn etwas Spezielles, was Sie an Finanzminister Christian Lindner bewundern?
Markwort: Ich vergesse nie, dass er die FDP gerettet hat. Wir waren rausgeflogen aus dem Bundestag und es war sein großer Solo-Feldzug, wie er im Alleingang die FDP wieder hochgebracht hat.
Interview: Daniel Häuser
Fotos: Murat Mermer, Anja Thyssen