Diese Woche erscheint die letzte Ausgabe der Zeitschrift „Eltern“. Es ist einer von vielen G+J-Titeln, die im Zuge der Rabschen Endreinigung eingestellt werden. Knapp 60 Jahre hat die Zeitschrift Millionen werdender Mütter (und später auch eine Handvoll Väter) begleitet von Atemübungen für die Schwangerschaft bis zur Einschulung des – in aller Regel hochbegabten – Nachwuchses.
Im Oktober 1968 wurden 1,85 Millionen Exemplare gedruckt – All Time High bei der Druckauflage. Danach ging es im Gleichschritt mit der Geburtenjahre bergab. Aber man konnte noch sehr gute Geschäfte machen. Von 1994 bis 2004 durfte ich mitarbeiten im Anzeigenverkauf für „Eltern“. Im Jahr 2000, kurz bevor die erste Dotcom-Blase platzte, feierten wir einen Anzeigenrekordumsatz von knapp 70 Millionen DM. Zusammen mit einem feisten Stamm von Abonnenten führte das zu „einer Umsatzrendite, wie man sie sonst nur aus dem Drogenhandel kennt“, so ein früherer Kollege aus der Verlagsleitung im Rückblick.
Wir fegten mit Vollgas über die Autobahn. Das Geld lag am Straßenrand und an den Raststätten wurden ausgelassene Partys gefeiert. Wir waren so euphorisch und beseelt, dass wir die Abzweigung ins neue Medienzeitalter verpassten. Erst spät erkannten wir, dass die Autobahn immer schlechter wurde. Statt mit Scheinen wurden wir mit Schmährufen bedacht. An den Raststätten liefen nur noch trostlose Retro-Partys.
Wir hatten uns selbst ins Abseits manövriert und den Medienwandel verschlafen – nicht nur bei „Eltern“. Leitende Redakteure ignorierten Internet und Digitalisierung. Veränderungsbereitschaft im Management war ähnlich populär wie Still-BHs bei Großstadt-Müttern. Stabil hohe Tantiemen waren verlockender, als in wenig ertragreiche neuen Medien zu investieren. „Vom hohen Roß schauten die meisten hoch bezahlten Manager und Redakteure mit einer gewissen Verachtung auf das Turnschuh-Volk des Internets“, so mein Ex-Kollege.
Eltern war einer der ersten Titel, der die Konkurrenz aus dem Internet am deutlichsten zu spüren bekam. Baby- und Schwangerschaftsforen konnten die superdringenden Anliegen der werdenden Eltern rund um die Uhr bedienen. Und dann auch noch mit Entertainment-Faktor und persönlichem Touch – anstatt in Form langwieriger Essays von Edelfedern über die Pros und Cons von Rooming-in, die (fragwürdigen!) Vorzüge von Baumwoll-Windeln und den Zuckergehalt von Fruchtzwergen.
Kurzum: Alle Sirenen heulten, alle Ampeln standen auf rot und wir hielten uns einfach Augen und Ohren zu. Vielleicht war es gar nicht so blöd, die Kuh bis zum jüngsten Tag zu melken. Denn seien wir ehrlich: klassische Medienmarken im Internet über Werbung zu finanzieren, war nie ein Erfolgsmodell.
Vielversprechender scheint mir der Weg, für Content bezahlen zu lassen. Vor allem wenn weite Teile des Contents zukünftig kostengünstig mit Hilfe von KI produziert werden können. Jede Wette: Bei einem Content-Blindtest werden 90 Prozent der Leser nicht erkennen, was von KI und was von KJ (Klassischen Journalisten) verfasst wurde. Und die anderen 10 Prozent sollen halt den Spiegel lesen.
Foto/Montage: Alexander von Spreti