Neues Peymani-Buch: Wofür leben wir? Wofür sterben wir?

In jedem Leben gibt es Wendepunkte. Sie können den Weg bereiten für einen Neuanfang, für etwas Größeres. Sie können aber auch derart erschüttern, dass mit einem Schlag alles still steht. Plötzlich ist das Heute relativ, wird das Morgen zum Konjunktiv. Es geht um den Tod. Sich mit diesem zu konfrontieren, besser mit dem Sterben, ist noch weitgehend tabu.

Mit der eigenen Sterblichkeit oder der eines nahen Angehörigen möchten sich die meisten Menschen lieber nicht auseinandersetzen. Wir vermeiden es mehr oder weniger bewusst und doch mehrheitlich, die Dinge vom Ende her zu denken. Verständlich: Wir wollen leben! Und wir hoffen darauf, dass das Schicksal uns und unser engstes Umfeld möglichst lange verschonen möge. Doch der Tod ist ein unausweichliches Schicksal, für uns alle. Soweit er uns nicht direkt betrifft, wird er uns regelmäßig isoliert überantwortet, mit vorgegebener Liturgie. Wir nehmen Anteil – und dann unser eigenes Leben wieder mit nach Hause.

Doch was, wenn wir nicht mehr Beobachter sind, sondern zu Betroffenen werden? Wenn der Tod brutal raubt, was uns am liebsten war? Was geht in einem trauernden Menschen vor, wie geht er mit dem individuellen Verlust um? Welche Fragen stellen sich ihm, worin findet er Halt und irgendwann vielleicht auch Trost? Wie sollen sich Angehörige verhalten, wie können sie unterstützen? Ist es ihnen überhaupt möglich zu verstehen, in welchem Ausnahmezustand sich der Trauernde befindet? Dass er fortan sein Sein verhandelt, sich verzweifelt bemüht, das Geschehene in das eigene Sinnkonzept zu integrieren?

Clap-Chefreporter Bijan Peymani hat darüber ein Buch geschrieben unter dem Titel „Der Tod ist eine Zumutung“. Zugrunde liegt dem ein persönlicher Schicksalsschlag und die Erfahrung, dass sich die allermeisten Menschen hilflos fühlen, im Umgang mit jenen, die einen traumatisierenden Verlust erleiden. Ein jeder trauert auf seine Weise. Trauer kennt keine Zeit, nicht einmal einen Regelverlauf. Und sie zwingt die Betroffenen, über ihr eigenes Leben und das Leben als solches zu reflektieren. Über das, was es braucht, um sich wieder aufzurichten – und was dafür möglicherweise fehlt. Denn auch mit professioneller Hilfe kann manches Trauma nicht verarbeitet werden.

Auf 180 Seiten befasst sich Peymani kritisch mit den üblichen Überwindungsalgorithmen, die die Theorie beschreibt und die Therapeuten nutzen. Der 54-Jährige betont dabei die Bedeutung des eigenen Weges und begibt sich auf die Antwortsuche für eine der großen Menschheitsfragen – vielleicht die größte überhaupt: die nach dem Sinn. Konsequent tritt sein Buch für Selbstbestimmtheit ein, ohne Denkverbote, mit klarer, kraftvoller Sprache. Es will Anstöße geben, mit Tabus brechen und zur breiten, unvoreingenommenen Diskussion anregen. In diesem Kontext widmet sich der Autor in einem Exkurs auch der Sterbehilfe. Derzeit läuft das parlamentarische Verfahren zu deren gesetzlicher Neuregelung.

Text: Bijan Peymani