Möglicher P7S1-Aufsichtsrat Ziegler: „Zukunft des Unternehmens ist digital geprägt“

Ende Juni lädt ProSiebenSat.1 zur Hauptversammlung. Und von den vier dort vorgeschlagenen neuen Aufsichtsräten ragt ein Name etwas hervor. Mit Cai-Nicolas Ziegler soll ein noch recht junger, aber erfahrener Digitalmanager in das Aufsichtsgremium einziehen. Der 45-Jährige ist derzeit CEO des Health-Tech-Unternehmens Doctari Group. Zuvor war er Vorstandsvorsitzender von Springers Immowelt Group sowie CEO von XING Events. Wir haben den Informatik-Professor mit dem Schwerpunkt Künstlicher Intelligenz im Exklusiv-Interview und wollten von ihm wissen, welche Impulse der Münchner dem Medienunternehmen geben will.

In dem neunköpfigen Aufsichtsrat von P7S1 wird es offensichtlich vier neue Mitglieder geben. Von der ehemaligen NBCU-Managerin Katharina Behrends ist die Rede und auch von Beiersdorf-Vorstand Thomas Ingelfinger. Warum ist jetzt auch so ein Fachmann für Digitales im Kontrollgremium gefragt? 

Ziegler: Die Antwort hierauf fällt leicht: Zum einen, weil P7S1 Mehrheitseigner der Nucom-Gruppe ist, in der insbesondere B2C-Marktplätze, vornehmlich „Asset-Light“, enthalten sind. Diese Klasse der Digitalmodelle waren mein Schwerpunkt der letzten 15 beruflichen Jahre. Zum anderen – selbst wenn es die Nucom-Gruppe nicht gäbe – so sind Gegenwart und Zukunft des Kerns von P7S1, nämlich Unterhaltung in Bewegtbild, klar digital geprägt. Sei es mittels Joyn, aber auch digitaler Distribution von Content auf anderen Kanälen als den eigenen, wie z.B. YouTube. Und: the best is yet to come!

In den letzten Jahren gab es bei Ihnen einige unterschiedliche berufliche Stationen. Sie waren bei Springers Immowelt und bei Xing Events von Burda. Was hat Sie bewogen nun zusätzlich zu Ihrem derzeitigen Job bei doctari den Aufsichtsratsposten bei ProSiebenSat.1 anzunehmen? 

Ziegler: Zum einen sind hier die Punkte zu nennen, die ich in obiger Frage bereits erwähnt habe: Ich liebe digitale und digital geprägte Geschäftsmodelle. Zum anderen ist P7S1 ein Unternehmen mit starken Marken, die in aller Munde sind. Darum war das Unternehmen ganz klar auf der Liste meiner Top-10 – wenn nicht sogar Top-5 – für mögliche Aufsichtsratsmandate. Meine Investoren gestatten mir (verständlicherweise) nur ein Mandat neben meinem operativen Job, so dass ich froh bin, bisherige Anfragen zu Gunsten von P7S1 ausgeschlagen zu haben.

Sind Sie schon dazugekommen, sich das Unternehmen von innen anzuschauen? Waren Sie schon in Unterföhring? 

Ziegler: Ja, ich war bereits in den tatsächlich sehr tollen – weil stylishen und zugleich mit positivem Karma versehenen – Büros. Allzu viel „von innen“ kenne ich natürlich noch nicht, da hier der Startschuss erst mit der Mandatierung (bzw. Nominierung) fallen darf.

In die Schlagzeilen kamen Sie zuletzt, weil Sie forderten, den Zeitraum zu verkürzen, in dem Leiharbeitskräfte in Kliniken eingesetzt werden dürfen. Werden Sie sich auch um das Thema Arbeitszeit bei ProSiebenSat.1 kümmern? Oder sehen Sie die Schnittpunkte eher an anderer Stelle? 

Ziegler: (lacht) Schnittmengen bei diesem Thema sind vermutlich eher überschaubar und die Suche danach sollte man hier nicht übermäßig bemühen. Verbindungen liegen am ehesten im (digitalen) Marktplatzcharakter.

Sie sind jetzt seit über einem Jahr CEO bei dem Ärztevermittler. Was kann ein Medienunternehmen von doctari lernen? Was hat Sie überrascht oder beeindruckt, als Sie bei den Berlinern angefangen haben? 

Ziegler: Ich denke es gibt immer und überall Gelegenheiten neue Dinge zu lernen. Das inkludiert, dass eine gestandene Unternehmensgruppe mit 7,000 Mitarbeitern, geradezu ein Goliath, sich auch Dinge von einer kleinen Gruppe, wie der unsrigen – mit 600 internen Mitarbeitern hier eher der David – abschauen kann. Die doctari group ist eine Company mit unfassbar begeisterten Mitarbeitern, die sich sehr stark mit der Gruppe und den Unternehmen darin identifizieren. Wir wollen eine ganze Menge erreichen, wir sind durstig und probieren sehr viel aus. Auf eine sehr strukturierte, analytische Art und Weise. Ein Beispiel hier sind unsere formalisierten „Business Bets“, mit denen wir ergebnisorientiert experimentieren und damit schnelle Outcomes und Learnings erzielen. Der Hauptaspekt, der mir zu obiger Frage jedoch einfällt, ist die Schaffung eines Unternehmens, das aus einem sehr erfolgreichen, non-digitalen Kern (denn dies ist durchaus eine Gemeinsamkeit beider Gruppen) den Schritt in eine digitale Zukunft nimmt. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Es handelt sich vor allem um einen kulturellen Wandel, bei dem es darauf ankommt, dass sich beide Seiten mit Demut begegnen, dass die eine die jeweils andere Seite respektiert und von ihr lernt. Allerdings – auch das sei erwähnt – gibt es für diesen kulturellen Sprung keine Blaupause, jedes Unternehmen ist anders. Diese Erfahrung durfte ich selbst in verschiedenen Companies machen, die mit dieser Herausforderung konfrontiert waren.

Gegenüber dem Handelsblatt sagten Sie zu Ihrem Amtsantritt bei doctari: „Es sind zwei Dinge, die wichtig sind: Größe und Technologie. Technologie braucht man, um Personal zum richtigen Zeitpunkt zum richtigen Ort zu bringen. Aber Grundvoraussetzung für die Technologie ist, dass ausreichend Personal verfügbar ist.“ Sie haben damit auf das Thema Fachkräftemangel angespielt. Hat sich eigentlich an der grundlegenden Problematik in den letzten Monaten schon etwas verbessert? 

Ziegler: Nein, daran hat sich nichts verbessert. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich unter den aktuellen Prämissen und Weichenstellungen etwas verbessert. Im Prinzip spannen wir mit der doctari-Gruppe einen Marktplatz auf, einen zweiseitigen Markt, bei dem wir insbesondere Kliniken (als unsere Kunden) mit den richtigen Einsatzkräften verknüpfen. Unser Purpose ist, dass wir medizinische Einsatzkräfte genau dorthin bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Weil sonst ein OP steht. Weil ansonsten lebensnotwendige Eingriffe nicht vorgenommen werden können. Um diesem Purpose gerecht zu werden, müssen wir groß sein. So dass wir – im Ernstfall – einer Klinik genau den richtigen Kandidaten/-in mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Ort anbieten können. Ein kleiner Player kann das nicht. Wie heißt es so schön: „size does matter“.

Sie lehren noch zwei Semesterwochenstunden an der Uni in Freiburg. Können Sie das eigentlich weiterhin schaffen, nebenher ins Breisgau zu fahren? 

Ziegler: Zum Glück muss ich das nicht schaffen, denn Corona war zumindest in dieser Hinsicht ein Segen: Ich halte meine Lehrveranstaltungen an der Uni Freiburg komplett digital, per Video-Konferenz ab. Dadurch, dass die Veranstaltungen en bloc am Wochenende oder, wenn unter der Woche, in den (sehr) späten Abendstunden stattfinden, lässt sich das auch neben meinem wundervollen Job bei doctari darstellen.

Foto: Immowelt