von Bibra: Readly wächst in Deutschland um rund 25 Prozent

Der Flatrate-Lese-Service Readly hatte seine Preise erhöht. Und das machte sich nun beim gestern veröffentlichten Quartalsergebnis positiv bemerkbar, der Umsatz stieg um rund 15 Prozent. Zum guten Ergebnis trug insbesondere der deutsche Markt bei, bald könnte die Hälfte des Nettoumsatzes von dort kommen. Wir sprachen mit der Deutschland-Chefin Marie Sophie von Bibra über den Stand der Dinge. 

Operativ gesehen hat sich die konservative Vorgehensweise in der jüngeren Vergangenheit bei Ihnen ausgezahlt. Die schwarze Null steht, wie auch aus ihrer letzten Quartalsmeldung in diesem Jahr zu entnehmen war. Für den wichtigen deutschen Markt gibt es keine speziellen Zahlen. Entwickelt sich denn Readly hierzulande ähnlich?

von Bibra: Wir sehen definitiv eine sehr positive Entwicklung in Deutschland. Der Umsatz ist um 24,8 Prozent auf 80,0 Millionen SEK (zuvor 64,1 Millionen SEK) gestiegen. Bereinigt um Währungseffekte betrug das Wachstum in Deutschland 24,4 Prozent. Dieses Wachstum wurde in erster Linie von zwei strategischen Initiativen getragen: Preiserhöhungen und ein Wachstum an voll zahlenden Abonnenten und Abonnentinnen. Deutschland ist nach wie vor unser größter (42,6 Prozent des Nettoumsatzes im 2. Quartal, 42,4 Prozent im 1. Halbjahr) und am schnellsten wachsender Markt, und das ist genau die Zugkraft, die wir beibehalten und in die wir investieren wollen.

Zuletzt sorgten machten Sie ja mit Partnerschaften auf sich aufmerksam. Wollen Sie das weiter ausbauen?

von Bibra: Unser Fahrplan konzentriert sich auf den Ausbau unseres Marketing- und Vertriebskanalmix, einschließlich unseres Partnerschaftsportfolios. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 machte das Partnerschaftsportfolio von Readly mehr als ein Viertel der Anzahl der Testkund:innen aus. Es wurden 21 neue Partnerschaften unterzeichnet, damit liegen wir bei  insgesamt 120 aktiven Partnern. Beispiele für neue Partner in Deutschland sind Deutsche Bahn Employee Benefits, Amex und Baur. Die beste Performance im zweiten Quartal zeigten Burda, Lidl und United Internet Media. Mit unserer hyperlokalen Kampagne in Düsseldorf haben wir auch begonnen, lokale Kampagnen zu fahren. Hier liegt der Fokus darauf, unsere Reichweite über relevante Kanäle zu erhöhen und wieder mehr neue Kanäle in unseren Mix aufzunehmen.

Eröffnen sich eigentlich durch die gute Geschäftsentwicklung wieder neue Investitionsmöglichkeiten? Die wurden ja etwas zurückgefahren.

von Bibra: Wie im Q2-Bericht dargelegt, haben wir begonnen, einen positiven Cashflow zu erwirtschaften, was einen Fortschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rentabilität darstellt. Dies ermöglicht es uns, in die Produktentwicklung zu reinvestieren und so den Wert, den wir Abonnent:innen und Verlagshäusern bieten, zu erhöhen. Die Reinvestition in die Produktentwicklung bedeutet, dass wir unsere Ressourcen auf mehrere Schlüsselbereiche konzentrieren, um das Nutzer:innenerlebnis zu verbessern und die Nutzer:innenbindung zu erhöhen. Aus personeller Sicht bedeutet dies erhebliche Investitionen in unsere Produkt- und Technikteams, die die Hälfte unserer Organisation ausmachen. Wir investieren in externe Tools wie KI für Audiofunktionen, führen Nutzer:innentests durch, um Feedback zu sammeln, und entwickeln die Plattform kontinuierlich weiter. Der andere Aspekt ist die Skalierung des Marketings, zum Beispiel mit der neuen Marketingkampagne, die wir im Sommer in unseren drei Kernmärkten gestartet haben.

Wo sehen Sie denn derzeit ganz grundsätzlich gesehen noch Wachstumsmöglichkeiten? Streamingdienste, wie Netflix, bieten beispielsweise ein Abo-Modell mit Werbung für 4,99 Euro monatlich an. Theoretisch könnten Sie so etwas ähnliches doch auch anbieten. Spielt das in Ihren Überlegungen eine Rolle?

von Bibra: Wir sehen Wachstumschancen in der Verbesserung des mobilen Nutzer:innenerlebnisses, indem wir zum einen ein breiteres Publikum ansprechen und auch Menschen erreichen, die kein Tablet besitzen. Zum anderen, indem wir stärker tägliche Gewohnheiten beim Erkunden und Nutzen von Readly bedienen und unsere personalisierten Empfehlungen sowie die maßgeschneiderte Kund:innenkommunikation ausbauen. Das ist entscheidend, um Testkund:innen zu zahlenden Abonnent:innen auszubauen. Nicht zuletzt investieren wir in eine technisch anpassungsfähige Plattform, um eine nahtlose Integration mit Verlagen und Partnern zu gewährleisten.

Seit rund anderthalb Jahren steht die Komplettübernahme durch Bonnier im Raum. Dazu ist es bislang noch nicht gekommen. Schränkt diese Hintergrundthematik ihre Aktivitäten in Deutschland eigentlich in irgendeiner Weise ein? 

von Bibra: Ganz und gar nicht. Deutschland ist unser größter und profitabelster Markt, und wir werden weiterhin in Marketing investieren, unser deutsches Content-Portfolio erweitern und jede Wachstumschance nutzen. Deutschland bleibt ein wesentlicher Fokus, und indem wir diesem Markt Priorität einräumen, stärken wir unseren Weg zu langfristiger Rentabilität. Unsere Strategie konzentriert sich auf den Ausbau unseres Marketing- und Kanalmixes, einschließlich unserer Partner und der Durchführung von mehr lokalen Kampagnen. Wir haben unsere neue Markenkampagne gestartet, die von umfangreicher Multi-Channel-Werbung unterstützt wird, was nächste Phase der Readly-Marketingstrategie in Deutschland durch Offline-Werbung als Teil eines hyperlokalen Ansatzes darstellt, der sich auf ausgewählte deutsche Städte konzentriert. Dazu gehören Außenwerbung an Bushaltestellen, Bahnhöfen und Plakatwänden sowie Radiowerbung und die Abdeckung digitaler Kanäle.

Ende vergangenen Jahres haben Sie in England eine KI-Audiofunktion in der App eingeführt. Damit können Nutzer die Inhalte auch anhören. Wann kommt das nach Deutschland?

von Bibra: Es gab bereits in diesem Frühjahr in Deutschland einen Soft Launch und wir sind gerade dabei, das Audio-Portfolio um immer mehr deutsche Audio-Artikel zu erweitern.

Mit der neuen Funktion können Sie den Verlagen sicherlich auch neue aggregierte Nutzerdaten zur Verfügung stellen. Zum Beispiel die Gesamtzeit des Hörens. Welche neuen Erkenntnisse gibt es? Welche Genres werden denn zum Beispiel lieber gehört als gelesen?

von Bibra: Wir sind noch zurückhaltend, wenn es darum geht, Schlüsse aus unseren bisherigen Hördaten zu ziehen. Die Audiofunktionalität ist nicht in unserem gesamten Portfolio verfügbar, sondern nur in ausgewählten Kategorien, die sich für das Vorlesen schriftlicher Beiträge eignen. Die Lifestyle-Kategorie mit langen Artikeln ist zum Beispiel besser geeignet als Rezepte aus der Food-Kategorie oder die Seiten von Modemagazinen, die Kleidung und Accessoires zeigen.

Mit solchen Daten können Sie die Leserprofile sicherlich noch besser ausleuchten. Wie wichtig sind denn grundsätzlich gesehen den Verlagen die Zahlen, die Sie zur Verfügung stellen können?

von Bibra: Generell sind alle Nutzungsdaten für unsere eigene Entscheidungsfindung sehr wichtig, damit wir den Nutzer:innen das bestmögliche Erlebnis bieten können. Das Gleiche gilt für unsere Verleger, sodass wir die Datenverfügbarkeit ständig weiterentwickeln und bei den Insights eng zusammenarbeiten. Unsere aktuelle Marketingkampagne zum Beispiel ist ebenfalls ein Resultat aus Erkenntnissen, die wir aus Nutzer:innenumfragen und weiteren Insights gewonnen und im neuen Konzept und den charakteristischen Inhalte, die den Kern der Werbemittel bilden, umgesetzt haben. Ein weiteres Beispiel sind unsere täglichen Marketing-Optimierungstaktiken und -tools, hier verwenden wir den prognostischen Lifetime Value auf einer sehr präzisen Ebene, um datengestützte Echtzeit-Entscheidungen darüber zu treffen, in welchem Kanal und wie wir am besten in unseren elf Märkten optimieren können. Die Hintergründe und den Ansatz dieses Datenkonzepts haben wir dieses Jahr auf dem European Publishing Congress in Wien auch mit Verlegern geteilt. Für uns ist die Datenverfügbarkeit und -verwaltung ein sich kontinuierlich wiederholender Prozess, der das richtige interne Mindset erfordert, um Erkenntnisse zu sammeln und sie in umsetzbare Ergebnisse zu übersetzen. 

Haben Sie eigentlich noch weitere Überlegungen für KI-gestützte Funktionen?

von Bibra: Für Readly liegen die Chancen der KI in der Verbesserung des Nutzererlebnisses durch personalisierte Inhalte, die auf individuelle Vorlieben zugeschnitten sind. KI ermöglicht die Bereitstellung maßgeschneiderter Informationen. Im “All you can read”-Sektor ist KI von entscheidender Bedeutung, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Konsument:innen zu erfüllen, insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass es kein “one fits all” gibt. Durch den Einsatz von KI-Technologie und die Erweiterung unserer Auswahl um Standalone- und Smartphone optimierte Artikel können wir ein personalisiertes und immersives Erlebnis bieten, das Elemente wie Audio, präzise Empfehlungen und relevante Kund:innenkommunikation einbezieht. Das bedeutet, dass wir den Wert unseres umfangreichen und wachsenden Angebots, das gerade die Zahl von 8.000 Titeln überschritten hat, weiter ausschöpfen können. Dadurch werden die traditionellen Konzepte von Magazinen und einzelnen Ausgaben neu definiert und eine flexible Bereitstellung von Inhalten ermöglicht.

Manchmal werden Sie in der Fachpresse als „Spotify für Journalismus“ bezeichnet. Nach wie vor ist es aber bei Ihnen nicht möglich, einzelne Artikel zu kaufen. Entweder das Gesamtangebot oder nichts. Könnten Sie sich vorstellen, von dieser harten Linie abzuweichen?

von Bibra: Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Unsere Nutzer:innenumfragen zeigen immer wieder, dass unsere Abonnent:innen es schätzen, Zugang zur Tiefe und Breite unseres Portfolios zu haben. Viele bestätigen, dass sie auf relevante Inhalte in Zeitschriften stoßen, von denen sie nicht einmal wussten, dass sie existieren. Und das ist ein wichtiger Aspekt unseres Ziels, „eine Welt redaktioneller Inhalte zu erschließen“. Die Auffindbarkeit von Inhalten ist der Schlüssel und führt Leser:innen über persönliche Interessen und Filterblasen hinaus, weil sie mit verschiedenen Perspektiven und neuen Themen konfrontiert werden. Dieser breite Zugang zu Inhalten ist ganz wesentlicher Bestandteil unseres Produktangebots und fördert fundierte Meinungsbildung und ein umfassendes Verständnis der Welt.

Seit Mitte 2023 ist Philip Lindqvist der neue CEO von Readly. Wie stark stehen Sie eigentlich im Austausch mit ihm und der Zentrale? Gibt es beispielsweise regelmäßige Treffen?

von Bibra: Wir arbeiten sehr eng zusammen und sind täglich im Austausch miteinander, sowie mit dem gesamten Führungsteam. Dieser enge Dialog ist wichtig, denn wir legen Wert auf eine kontinuierliche Überwachung der wichtigsten Kennzahlen und des strategischen Fortschritts. Unser gesamtes Unternehmen ist sehr zentral organisiert, so dass sich meine tägliche Arbeit sowohl auf Deutschland als auch auf unsere anderen zehn Märkte konzentriert, was sich in der täglichen Zusammenarbeit der einzelnen Standorte und Abteilungen widerspiegelt.

Interview: dh

Fotos: Readly