Die Neujahrsvorsätze deutscher Medien kenne ich natürlich nicht – weil es sie nicht gibt. Es tauchen ja nicht die Süddeutsche Zeitung oder ProSieben aus dem Nebel der Silvesterfeuerwerke und formulieren sich Neujahrsvorsätze. Wenn überhaupt, dann übernehmen das die Menschen, die diese Firmen führen. Und darin liegt das Problem. Nur die wenigsten bringen – egal ob privat oder in Managementrunden – das mit, was es für eine erfolgreiche Umsetzung egal welcher Vorsätze bräuchte: Disziplin, Veränderungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und langfristiges Denken.
Als Zielvorgabe reicht den meisten offenbar: durchwurschteln. Man bastelt sich Überbrückungsmaßnahmen in Form von Fusionen oder Übernahmen (G+J/RTL, Bauer Advance/Ad Alliance, Burda Forward/BCN, ProSieben/MediaForEurope etc.) und investiert jedes Jahr ein bisschen weniger in Qualität. Vor allem ältere Kunden aus den guten alten Zeiten gehen das bislang mit. Sie kommen zum Kiosk, solange die Füße tragen. Sie schalten den Fernseher ein und schauen Harry Potter oder Harry Kane. Auf diese Weise halten die Boomer das Quotenlicht am Flackern. Beim Kassensturz am 31.12.25 wird man feststellen: Es ist wieder weniger geworden, aber es reicht noch dicke. Auch ohne große Vorsätze.
Eine Ausnahme scheint mir – wieder mal – Springer zu sein. Zur Erinnerung: Früher – bis in die 90er – wurde der Axel Springer Verlag oft wahrgenommen wie der Radaubruder unter den Medienhäusern. Gerne laut, dominant, radikal, machtbewusst. Die Bild als Speerspitze ließ nur wenige Politiker und Leser unbeeindruckt. Dann kam mit dem Internet die Zeitenwende auch in der Medienwelt an. Die Manager von Springer haben diese nicht nur scholzmäßig proklamiert. Sie haben ihr Denken und Handeln seither neu ausgerichtet und tun dies auch 2025 unaufgeregt und mit Plan. Andere hadern noch, ob sie KI überhaupt einsetzen. Und wenn ja, dann nur mit Absicherung durch wiederbelebte menschliche Schlussredaktionen? Oder in der Bio-Variante mit DSGVO-Siegel der EU? Springer dagegen will offensiv auf KI setzen zum Erhalt des unabhängigen Journalismus. Das ist wie das selbstfahrende E-Autos mit PV-Anlage auf dem Dach… Das kann nicht sein!
Der Einsatz von KI kann den Journalismus von ökonomischen Zwängen befreien und möglicherweise die oft ideologisch geprägten Berichterstattungen entschärfen. KI kann helfen, das „Geschäftsmodell der Empörung“ (Sloterdijk) zu begraben und stattdessen eine neue Form des Journalismus zu entwickeln, die unsere Gesellschaft wieder diskursfähiger macht, Respekt und Geschlossenheit fördert und wieder Neugier weckt für das, was in Zeitungen steht oder in elektronischen Medien gesendet wird. Das wäre viel fruchtbarer für den Einzelnen und die Gesellschaft, als immer lästern zu müssen über die Welt im Allgemeinen und die Mainstream-Medien im Speziellen.
Foto: Alexander von Spreti