Ein Besuch bei „Big Brother“

Ein Flug von München nach Köln ist ziemlich kurz. Aber eigentlichlang genug, um eine Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ durchzulesen. Nicht für El-Cartel-Media-Chef Jan Kühl. Er schien sich förmlich in den Seite-drei-Artikel „Adel vernichtet“ verbissen zu haben. In Köln angekommen, schaffte er es dennoch, die Zeitung wegzulegen und einen Teil der Journalistenschar gerade noch rechtzeitig mit seinem SL-Fahrerservice zur Kick-off-Pressekonferenz der neuen „Big Brother“-Staffel von RTL II zu bringen. „BB“-Oberaufseherin Pamela Müller wartete dort schon etwas genervt und empfing die letzten Besucher mit einem ambivalenten Lächeln. Eine Pressemitteilung wurde ausgeteilt, und Kühl beantwortete anschließend noch Fragen zur Werbung im schwierigen Container-Umfeld – verschwand dann aber ziemlich schnell. Vielleicht wollte er den Seite-drei-Artikel noch mal lesen?

Aber er musste auch gar nicht bleiben, eigentlich ging’s ja ums Probewohnen in Endemols Fernseh-WG. Der Weg von den Produktionsräumen zur bunten Designer-Bude war erstaunlich kurz. Und nach der Pressekonferenz durften da dann zwei Sixpacks Journalisten rein. Drinnen konnte gleich mal alles ausprobiert werden, der Sender organisierte sogar eine Challenge. Die glich einem Köttbullar-Wettessen, bei dem sich ein Journalist auch gleich übergeben musste. Zunächst kam das alles durchaus aufregend daher, aber schon nach zwei Stunden stellten sich Ermüdungserscheinungen ein. Danach nämlich hat man das Haus einmal komplett durchleuchtet: Die Ikea-Tassen, die Temperatur im Whirlpool, die Kerzenleuchter auf dem Tisch, die laut aufgeklebtem Preisetikett 138 Euro gekostet haben. Und natürlich gibt es überall die surrenden Kameras, die einem aber relativ schnell ziemlich egal sind. Von der Decke knallt permanent heißes Licht, kein Wunder, dass die Kandidaten immer halb nackt rumlaufen. Alles ist bunt angemalt, aber letztlich bleibt doch immer das Gefühl, in einem Fernsehstudio zu sein.

Es ist also schwieriger, als man denkt. Wie soll man das einige Tage aushalten? Ein nachrichtenloses Journalistenleben, nicht mal ein Smartphone darf man dabeihaben. Unerträglich. So bleibt einem nichts weiter übrig, als sich zu unterhalten. Und so fragt sich der Testbewohner dann auch, warum Endemol so oft Kandidaten in den Container holt, denen es an kommunikativer Ausdruckskraft fehlt. Im nächsten Jahr gibt es eine Fortsetzung der Probewohn-Session. Eine Übernachtung im Haus soll dann mit inbegriffen sein. Gute Idee – vielleicht lädt man zusätzlich noch ein paar bekannte Medienmacher ein und macht so ein sendefähiges Prominenten-Special daraus. Mögliche Kandidaten gibt es doch genug. Wie wär’s zum Beispiel mit RTL-Chefin Anke Schäferkordt? Sie könnte im Mondschein über den neuen Moderator der Medientage-Elefantenrunde sinnieren. Oder mit G+J-Verlagschefin Julia Jäkel? Kommt sie wirklich so gut mit Jungs klar, wie sie es so gern der Fachpresse zum Besten gibt? Oder mit Jan Kühl: Was macht er ohne die Seite drei der „SZ“? Es wäre eine schöne Fernsehunterhaltung.

Erschienen im clap-Magazin im Juli 2011

Fotos: RTL2