Boie: der sanfte „Bild“-Chefredakteur?

Erst vor ein paar Tagen geriet mal wieder eine „Bild“-Schlagzeile in die Kritik. Der Grund war die Headline „Intensivstationen waren nie überlastet“. Ein Zitat, dass die Zeitung Gesundheitsminister Karl Lauterbach zuschrieb. Lauterbachs Staatssekretär soll sich aber differenzierter geäußert haben.

Sind solche besprechungswürdigen Schlagzeilen auch unter dem neuen „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie wieder an der Tagesordnung? Womöglich ist es nur eine Momentaufnahme, doch es könnte viel seltener als früher sein. Clap hört aus „Bild“-Redaktionskreisen von einem Chefredakteur, der anders agiert als seine Vorgänger. Während unter Reichelt die Redaktion öfters einem Panik-Orchester glich, laufen die Konferenzen jetzt angeblich nachdenklicher, analytischer und pragmatischer ab. Angeblich kämpft er auch um die Genauigkeit von Formulierungen. Eventuell kommt hier Boies Sozialisation bei der „Süddeutschen Zeitung“ zum Vorschein. Vor kurzem lud er bekanntlich auch Promis aus der Wissenschaft zu einer Digital-Veranstaltung ein, bei der die Rolle des Boulevard­journalismus diskutiert wurde.

Amazon Prime Video könnte also darüber nachdenken, eine zweite Staffel seiner „Bild“-Serie zu drehen. Diese könnte ein völlig anderes Stimmungsbild vor Ort ergeben, als noch vor einem Jahr. Die Kommunikationswege sind für Boie allerdings momentan nicht einfach. Während der Corona-Zeit arbeitet nur rund 20 Prozent der Belgschaft vor Ort im Springer-Headquarter. Der Rest seiner Redakteursmannschaft erledigt den Job im Home Office. In einigen Wochen könnte das aber anders aussehen.

Zudem ändert sich gerade auch in einigen Bereichen die Struktur der Redaktion. Der frühere „Bild“-Vize Florian von Heintze hat seinen Weggang schon verkündet. Und vor wenigen Wochen schrieb auch Newsdesk-Chef Willi Haentjes eine Abschiedsmail an seine Kollegen. Er geht zusammen mit dem Leiter der Sendung „Viertel nach Acht“, Sebastian Vorbach. Beide Führungskräfte haben angeblich eine Nähe zu Boies Vorgänger Julian Reichelt. Spekuliert wird intern darüber, ob Haentjes und Vorbach bei Reichelts möglicher neuer Medienunternehmung andocken. (dh)