Die Spiegel-Offensive für junge Menschen scheint gut zu funktionieren. Das Nachrichtenmagazin gab Mitte September bekannt, unter anderem 30.000 Menschen unter 30 Jahren ein kostenfreies Digitalabo zu vergeben. Das Interesse war erstaunlich groß – die speziellen Zugänge waren nach Clap-Infos nach nur wenigen Tagen bereits vergeben. Und die Aktion scheint schon erste Früchte zu tragen. Im Rahmen des kürzlich veröffentlichten Interviews mit Entertainer Thomas Gottschalk besprechen gerade viele junge Top-Influencer die aktuellen „Spiegel“-Inhalte. Darunter auch der bekannte YouTuber Rezo, der 2020 den Stern-Preis gewann.
Nur selten wird in den sozialen Medien konkret über Interview-Fragen in den traditionellen Medien gesprochen. Und gelobt werden diese noch seltener. Bei dem kürzlich veröffentlichten Gottschalk-Interview aber war das anders. Die Fragen, unter anderem von „Spiegel“-Redakteurin Vicky Bargel ersonnen, scheinen einen Nerv bei der jungen Zielgruppe getroffen zu haben: YouTuber Rezo, einer der wenigen Influencer mit echtem Interesse an Verlagsaktivitäten, ist beispielsweise voll des Lobes: „Eigentlich kann man das ganze Interview lesen und es hört nicht auf irgendwie, dass Du darüber staunst.“ Danach liest er nicht die Antworten von Gottschalk vor, sondern zitiert einfach nur die (erstaunlichen?) Fragen.
In das gleiche Horn wie Rezo bläst auch TikToker Robert Karo: „Der Spiegel hat ein Interview mit Thomas Gottschalk gemacht weil sie ihn komplett trashtalken oder einfach nur saubere journalistische Arbeit machen und sich nicht von seiner Prominenz einlullen lassen.“ Saubere journalistische Arbeit – wann stand das zuletzt im Mittelpunkt des Interesses?
Doch genau damit kann man ganz offensichtlich punkten bei den Kids. Ebenso wie Robert Karo fand beispielsweise auch Podcaster Maurice Gajda gleich die erste, ironiebeladene „Spiegel“-Frage toll: „Sie haben vor einigen Jahren die Hoffnung geäußert in einigen Jahren ein cooler Alter zu werden. Sind wir uns darüber einig, dass das nicht geklappt hat?“ Hey! Was für ein Feedback für die Hamburger Journalisten und ganz schön viel der Ehre für ein paar Fragen. Aber sie zeigen, wo der Hebel ganz offensichtlich angesetzt werden kann.
Die richtigen Fragen stellen und echte Antworten verlangen: Vielleicht hat der traditionelle Journalismus noch nicht ausgedient, wenn man ihn etwas cooler auslegt und angestellte Redakteure einfach nur ihren Job machen lässt. Die nächsten „Spiegel“-Interviews gerne im selben Stil mit den Dax-CEOs Timotheus Höttges, Christian Klein oder Carsten Spohr. Dann klappt es, nicht nur beim „Spiegel“, vielleicht auch weiterhin mit den jungen Lesern. (dh)
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