Bily über Verlagsstatements: „Die Ausnahme ist meist Herr Döpfner“

Unser regelmäßiger Kolumnist Thomas Bily, Geschäftsführer des deutschen Facebook-Konkurrenten Wize.life, hat es satt, dass die mediale Aufmerksamkeit bei IVW-Meldungen fast nur bei den Printmedien liegt. So wie in dieser Woche. Wir nutzten seinen kurzen Moment der Frustration für ein Interview unter anderem zu den Themen Brigitte.de, Mathias Döpfner und Facebook:

Sie wundern sich in Ihrer Clap-Kolumne immer mal wieder über aktuelle Vorgänge in der Kommunikationsbranche. Was hat Sie an den aktuellen IVW-Meldungen überrascht?
Bily: Am Wize.life-Küchentisch verfestigt sich heute wieder mal der Eindruck, dass das Hauptaugenmerk der medialen IVW-Diskussion nach wie vor auf Print liegt. Man tanzt offenbar lieber um ehemals goldene Kalb, mittlerweile sind da aber viele abgemagerte Kälber dabei. Umso mehr freut man sich im klassischen Lager, wenn eines der Kälber mal wieder 1% zulegt – anstatt weiter an Gewicht zu verlieren. Denn die meisten Leser sind längst zu Usern geworden und auf Online-Weidegründen zuhause und es werden täglich mehr. Auch und vor allem in älteren Zielgruppen.

Klar ärgert sie das als Onliner mit einer älteren Zielgruppe. Sie wollen sicher lieber über Wize.life sprechen, denn der Juli lief gut bei Ihnen. Bei der IVW-Meldung konnte ihre Unternehmung seine Visits im Vergleich zum Vorjahr mit 17,8 Millionen mehr als verdoppeln. Werden Sie nach der Umbenennung von Seniorbook in Wize.Life von anderen, vielleicht auch jüngeren Menschen angesteuert?
Bily: Je mehr Leute ein Medium erreicht, desto stärker verwässert normaler Weise die Kernzielgruppe. Bei wize.life ist es aber so, dass die weiterhin wachsende Community rund 2/3 der Seitenaufrufe ausmacht und somit eine hohe Affinität in der Kernzielgruppe 50+ stabilisiert. Außerdem ist ein Großteil unserer Kommunikation – von Werbung über PR bis zu Content Marketing – auf diese Zielgruppe ausgerichtet, so dass ein beträchtlicher Teil der neuen Unique User die Zielgruppe bestätigt.
 
Sie werden nun ähnlich stark aufgerufen wie beispielsweise Brigitte.de, erzählten sie im Vorgespräch. Warum macht denn der Vergleich mit so einem Verlagsangebot überhaupt Sinn? 
Bily: IVW steht für „Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Sowohl Wize.life als auch Brigitte.de sind beides Online Werbeträger. Kunden wollen, dass ihre Botschaften gesehen, gelesen und genutzt werden. Im Falle von Content Marketing garantiert Wize.life nicht nur Reichweite und Sichtbarkeit, sondern die tatsächliche Nutzung in Form von Seitenaufrufen. Ein Beispiel: 50.000 Seitenaufrufe bei einer durchschnittlichen Verweildauer von rund 2 Minuten machen rund 1.600 Stunden Aufmerksamkeit. Ich wage zu behaupten, dass wir damit deutlich besser performen als die meisten Online-Werbeträger.

Sicherlich geht Ihre Blickrichtung auch zu Facebook Deutschland. Haben Sie ein wenig Mitleid mit den Kollegen nach der ganzen Diskussion rund um Sicherheit und DSGVO? 
Bily: Wir finden nicht, dass Facebook Mitleid verdient oder braucht. Wie viele große und schnell wachsende Unternehmen stößt auch Facebook immer wieder auf Neuland und Widerstände. Die DSGVO war auf diesem Weg eher ein kleines Hürdchen. De facto ist nicht viel passiert im Zuge der DSGVO, außer vielleicht manch schadenfreudiges Säbelrasseln der klassischen Medien. 

Springer-Chef Mathias Döpfner hat sich jüngst bei Bloomberg zu seinem Verhältnis zu Facebook und Google geäußert. Er sieht in einer möglichen Zusammenarbeit mehr Chancen als Risiken. Sie haben viele Verbindungen in die Verlagsbranche. Spüren Sie als Ex-Gruner + Jahr sowie Burda-Manager mehr Offenheit der Verlage für eine mögliche Zusammenarbeit?
Bily: Spüren tue ich nur, dass ich meinen Augen nicht traue, wenn ich so manches Statement aus Verlagshäusern sehe. Die Ausnahme ist meist Herr Döpfner. Er sagt, er sehe mehr Chancen als Risiken. Er meint aber eigentlich, dass es keine Chance gibt ohne oder gar gegen Facebook, Google & Co. Auch Allianzen gegen die GAFA halte ich für aussichtslose Unterfangen. Nicht jedoch Unternehmen, die ihr Wachstum darauf bauen. Das mag Abhängigkeiten schaffen. Aber die Tageszeitung ist auch abhängig von Zustellern, Post oder Grosso-System. Die eigentliche Kränkung der Traditionellen liegt doch im Verlust von Macht, Sendungs- und Deutungshoheit begründet – und nicht in Fragen der Logistik oder Distribution. (dh)
 
Foto: Wize.life